"Wenn das Bäumchen dem Gärtner sagt, was er zu tun hat"
13. Handruper Forum mit Michael Felten zum Thema Erziehung

Handrup - Verlernt zu erziehen? Kommen Schule und Elternhaus ihren Erziehungsverpflichtungen noch nach? Diese Fragen standen im Mittelpunkt eines Vortrages des Pädagogen und Publizisten Michael Felten, den er im Rahmen des 13. Handruper Forums hielt. Schulleiter Pater Dr. Heiner Wilmer konnte zu der von Studiendirektor Paul Wöste organisierten Veranstaltung eine Vielzahl von Interessierten in der Aula des Gymnasiums Leoninum begrüßen.
Der in Köln lebende und als Lehrer für Mathematik und Kunst tätige Michael Felten wollte mit seinen Ausführungen "das Lagerdenken zwischen vermeintlich altbackener und angeblich moderner Erziehung überwinden" und somit einen "dritten Weg" beschreiten. Dabei richtete er zunächst den Blick auf die allgemeine Lage der Jugend. Für das desolate Abschneiden Deutschlands in der PISA-Studie machte er unter anderem auch das "veränderte Erziehungsklima im Elternhaus" verantwortlich, das letzten Endes vielfach zu einer "Herrschaft der Kinder" geführt habe. Folglich charakterisierte Felten Schlagworte wie "Kinder wissen selbst am besten, was gut für sie ist" oder "Disziplin und Strenge schaden der kindlichen Entwicklung" als "Mythen der jüngeren Pädagogik". Zwar sei es ein richtiger Erziehungsgrundsatz, junge Menschen dort abzuholen, wo sie stünden, aber man dürfe eben nicht "bei ihnen stehenbleiben oder sie lediglich bei ihren Launen begleiten." Ausgehend vom sogenannten magischen Erziehungsdreieck des Sozialwissenschaftlers Klaus Hurrelmann, demzufolge Heranwachsende der Anerkennung, Anregung und Anleitung bedürften, um selbstbewusst, leistungsfähig und verantwortungsbereit zu sein, erläuterte der Referent seine Vorstellungen einer gelingenden Erziehung.
Anerkennung sei eben nicht allein das ausdrückliche Lob, sondern vielmehr die zeitintensive, "grundsätzliche Wertschätzung und ganz konkrete Beachtung" des Kindes. Anregung habe laut Felten weniger etwas mit "fremdbestimmter Einengung von kindlicher Spontaneität" zu tun, sondern angesichts des überbordenden Angebotes von Aktivitäten sie sei Hilfe, dass das Kind "bei einer Sache bleibt". Vor dem Hintergrund der nur mangelhaft ausgeprägten Leselust deutscher Jugendlicher sparte der Referent in diesem Zusammenhang nicht mit Kritik am Fernsehen: "Jede Stunde Glotze, die man seinem Kind erspart. wäre für dieses ein großer Gewinn", so Felten wörtlich. Mangelnde Anregung sei aber auch das Ergebnis einer "verwöhnenden Erziehung". Dabei wollte der Redner auch die Lehrer nicht von ihrer Verantwortung freisprechen, sofern sie nur wenig Hausaufgaben erteilten oder auf die Verbesserung von Klassenarbeiten verzichteten. In diesem Kontext plädierte Felten dafür, dem Begriff Leistung, "der im Pädagogischen zu Unrecht den Beigeschmack des Unanständigen angenommen" habe, wieder mehr Gewicht zu verleihen. Eine unnötige Entlastung bedeute Unterschätzung und damit auch Schwächung der Heranwachsenden. Der am meisten diskutierte Pol des Erziehungsdreiecks sei jedoch der der richtigen Anleitung.Lehrer, die den Unterricht unmissverständlich leiteten und Regelverstöße spürbar sanktionierten, signalisierten den Jugendlichen Verlässlichkeit. Felten sprach sich daher für eine "maßvolle erzieherische Strenge" aus, die Heranwachsenden helfe, eigene Stärken zu entwickeln. Das in diversen Umfragen artikulierten Bedürfnis junger Menschen nach mehr Strenge seitens der Eltern und Lehrer kleidete Felten in ein Bildwort: "Soweit ist es also gekommen, dass die jungen Bäumchen dem Gärtner sagen müssen, er solle sie vorübergehend und rindenschonend anbinden." Wenn er "mehr Aufmerksamkeit, mehr Herausforderungen, mehr Autorität" fordere, dann wolle er das "nicht als Plädoyer für eine neue Durchgriffsmentalität verstanden wissen, sondern als "eine entschiedene Absage an eine pseudomoderne Identifizierungsgesinnung", erklärte Felten zum Schluss seiner Ausführungen.

Text u. Fotos: Hermann-Josef Rave


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