Heinz Kahlau
Ein Tag wie ein Wunder (1973)
Niemand wollte etwas von mir.
Ich konnte hingehen zu denen,
die Häuser bauten,
die Obst pflückten,
die mit den Kindern spielten.
Bei ihnen allen konnte ich
tätig sein.
Niemand wollte meinen Ausweis sehn.
Niemand wolte wissen,
wie ich etwas gemeint habe.
Und am Abend durfte ich schweigen,
oder singen,
oder erzählen ―
wie es mir einfiel.
Meinen Namen wussten sie nicht.
Meine Heimat spielte keine Rolle.
Mein Beruf war ihnen egal.
Ich war irgendeiner für sie,
irgendeiner von ihnen.
Das war ein Tag wie ein Wunder.
Einblicke in die Welt der Literatur – Text des Monats Januar
05. Januar 2020 | Administrator | Kategorien: Aktuelles