„Herr, gib mir ein hörendes Herz“
(1 Kön 3,9)
Sozialpraktikum am Gymnasium Leoninum
„Herzensbildung“ – Diesem Anliegen sieht sich das Leoninum besonders verpflichtet. Erwachsenwerden in unserer immer turbulenter werdenden Zeit erfordert von einer zeitgemäßen Schule weitaus mehr als die Bildung kognitiver Kompetenzen, weitaus mehr als die Rahmenrichtlinien für die gymnasialen Oberstufen fordern. Dem Kollegium des Leoninum liegt es sehr am Herzen, junge Menschen auf ihrem Weg zu selbständigen und verantwortungsbewussten Mitgliedern der Gesellschaft zu begleiten. Dazu gehört auch die Aufgabe, sie für die Stürme des Lebens resilienter zu machen. Bei uns als „Schule mit Herz“ werden Begriffe wie „Empathiefähigkeit“ und „Emotionale Kompetenz“ großgeschrieben; für uns als Schulgemeinschaft ist es somit bedeutsam, während der Adoleszenz kontinuierlich den Blick zunächst auf das eigene, aber dann auch auf das Herz des anderen zu lenken, um so gestärkt einen Platz im Leben zu finden.
In der 11. Jahrgangsstufe verfügen die Schülerinnen und Schüler bereits über vielfältige Erfahrungen und einiges an sozialer Kompetenz, was sie schon ein Jahr zuvor bei ihrem Berufspraktikum bewiesen haben. Ergänzend bietet nun das Sozialpraktikum am Leoninum die Gelegenheit, 14 Tage lang weitere Erfahrungen zu sammeln in Arbeitsbereichen, in denen soziale Intelligenz Priorität hat. Für Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung sind Frau Strüwing und Frau Wessing verantwortlich.
In einer ersten vorbereitenden, sensibilisierenden Phase besuchen Referenten aus verschiedensten sozialen Einrichtungen das Leoninum, wie z.B. dem Christophorus-Werk, der Tafel, der Caritas, dem Bonifatius-Krankenhaus, der U25 oder auch einzelne Seelsorger aus den Bereichen Krankenhaus oder Gefängnis, um von ihren Berufserfahrungen zu berichten. Eine solche Einführung erweist sich als notwendig, da es während des Sozialpraktikums (in der Regel 14 Tage vor den Herbstferien) darauf ankommt, sich auf die Sorgen und Nöte des anderen einzulassen, ihn fürsorglich und einfühlsam zu begleiten.
„Unterbrechung durch das Leid des anderen“, so beschreibt der Theologe J. B. Metz den „Compassion“- Gedanken, der dem Sozialpraktikum zugrunde liegt. Menschen, wie wir sie schon im Neuen Testament kennenlernen, die allzu oft am Rande der Gesellschaft stehen, sollen verstärkt Aufmerksamkeit erhalten; die Schülerinnen und Schüler sollen lernen, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen, um so auf sie zu „hören“. Das Mitfühlen steht im Vordergrund, streng abzugrenzen vom reinen Mitleid.
Ein weiterer Projekttage macht die Schülerinnen und Schüler mit theologischen Leitgedanken bekannt; sie setzen sich auseinander etwa mit der „Christlichen Soziallehre“ oder auch mit den Enzykliken „Laudato si“ sowie „Fratelli tutti“. Selbstverständlich werden die biblischen und theologisch-philosophischen Grundlagen des christlichen Menschenbildes auch im Rahmen des Religionsunterrichts erarbeitet.
Während dieses Praktikums, das erst durch die hilfsbereiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der vielen regionalen Institutionen möglich ist, werden die jungen Menschen von einer Kollegin bzw. einem Kollegen begleitet, als Ansprechpartner schon vor und dann auch nach dem Praktikum. Die vielen neuen Eindrücke werden an einem Reflexionsabend in der Schule intensiv besprochen, meist dem Donnerstag in der ersten Woche; eine kurze Andacht und danach ein abschließendes Grillen, das die Herz-Jesu-Priester als Zeichen ihrer Wertschätzung für den Jahrgang 11 durchführen, umrahmen die Gespräche. Im sogenannten „Impressarium“, eine Art Tagebuch, das sich vom Praktikumsbericht des Berufspraktikums natürlich deutlich unterscheidet, reflektieren die Praktikanten ihre Eindrücke; es wird von der betreuenden Person gelesen. Die Schülerinnen und Schüler brauchen diese kostbaren Rückmeldungen; nicht selten hat das Praktikum ihnen einen Rahmen geboten, sich durch neue, interessante Begegnungen als unverhofft Beschenkte zu fühlen, eine Erfahrung, die neben anderen kompetent besprochen werden will.
Nach einem anschließenden Austausch erhalten die Absolventen dann in einer feierlichen Abschluss-Andacht – 2022 unter dem Motto „Ein Segen sollst du sein“ – Compassion nach Corona (Gen 12,1) – ein Zertifikat, das ihnen die Teilnahme am Sozialpraktikum, wie es vom Leoninum durchgeführt und verstanden werden möchte, bestätigt. Im Schuljahr 2022-23 konnte im Rahmen des Sozialpraktikums darüber hinaus durch eine sehr engagierte Schülerschaft, aber auch durch den Einsatz von Frau Wessing und Herrn Menzel-Volkmann, die „Bewegte Pause“ angeboten werden; dies wurde zudem als Anlass genommen, den jüngeren Jahrgängen weiteres liebgewonnenes Spielmaterial zur Verfügung zu stellen. So konnte sich der Jahrgang fast nebenbei als Segen für die Schulgemeinschaft erweisen, ein schönes Denkmal. Auch im Schuljahr 2023-24 beeindruckte unsere Schülerschaft enorm- Vergelt´s euch allen Gott!
2024 fertigte eine kreative Schülerin inspiriert durch das Sozialpraktikum eine Patchwork-Decke an. Die mannigfachen Emotionen des menschlichen Lebens finden hier ihren Platz. In der Spannung zwischen Vitalität und Fragilität findet Leben statt, am Ende des Lebens wird jeder Moment wertvoll, wenn man es nur zulässt. „Dem Tag mehr Leben geben“, so die Devise. Besonders die Ohnmacht der Hilflosen, das Angewiesensein auf Hilfe des anderen, stimmt nachdenklich, nicht nur junge Menschen…