Leseabend hinterließ schockierte Fassungslosigkeit
Iris Berben
deutsche Schauspielerin
Vortrag im Rahmen des „16. Handruper Forums“ vom 16. November 2004.
Rekordkulisse beim Handruper Forum mit Iris Berben
Handrup (rav) – Applaus wollte zunächst nicht recht aufkommen, als die Lichter in der Sporthalle des Handruper Gymnasiums Leoninum wieder angingen. Vielmehr herrschten Verstörung und Sprachlosigkeit vor, nachdem die Schauspielerin Iris Berben mit der letzten Zeile aus einem Gedicht von Charlotte Delbo ihren Leseabend beendet hatte. „Wusstet ihr es, ihr Wissenden?“ Nicht nur diese Frage wird die rund 1100 Besucher des Handruper Forums beschäftigt haben, nachdem die bekannte Darstellerin aus „Hitlers Tischgesprächen im Führerhauptquartier“ vorgetragen hatte. Schulleiter Pater Dr. Heiner Wilmer würdigte in seiner Begrüßungsrede vor allem das Engagement der Schauspielerin, „die Erinnerung an die Opfer der Nationalsozialisten wach zu halten.“
Diesem Anliegen kam Iris Berben dann in dem fast zweistündigen Programm auf eindrucksvolle Weise nach. Auszüge aus den vom Zeitzeugen Henry Picker aufgezeichneten Gesprächen Hitlers mit engen Vertrauten bestimmen den ersten Teil der Lesung. Mit zum Teil kühler Distanz trägt Iris Berben Hitlers wahnwitzige Ideen vor – allesamt unwidersprochen. Hitler lässt sich aus über die „deutsche Herrenrasse“, ergeht sich in Schimpf- und Hasstiraden über „die Drecksjuden“, wettert gegen das Christentum und die „Pfaffen“. Der Führer bescheinigt sich dabei selbst, tolerant zu sein und erklärt, „noch nie Gefallen daran gefunden zu haben, andere zu schinden.“ Auf der einen Seite begegnen sich beißender Zynismus und ungeheure Brutalität, auf der anderen dann immense Dummheit, die sich in Sätzen wie „Christus war ein Arier“ offenbart oder wenn Hitler sein Frauenbild preisgibt: „Die Welt der Frau ist der Mann.“ Den ungeheuerlichen Aussagen des Tyrannen stellt Iris Berben die Berichte von Opfern der Nazidiktatur entgegen. Sie steht dabei vor einem Steinblock, der in seinem Äußeren den Stelen des Holocaust-Denkmals in Berlin entspricht. In fahles Licht getaucht trägt sie Berichte über die grausame Behandlung von Schwangeren, Müttern und Kindern im Frauenlager Ravensbrück vor. Doch damit ist der Gipfel des Schreckens noch nicht erreicht. Nach der Pause steigert sich die Intensität. „Den Hahn aufzudrehen, war ja keine große Sache“, ein Zitat des Vergasungsarztes Georg Renno steht auf der Leinwand im Hintergrund der nur spärlich ausgestatteten Bühne, während Iris Berben jetzt nur noch Erfahrungsberichte von Überlebenden vorträgt. Sie handeln von Homosexuellen, die versuchen zu fliehen und dafür grausam gefoltert wurden, von Sinti und Roma, die für SS-Schergen musizieren mussten und dann doch erschossen wurden.
Nach der Veranstaltung bedankte sich Iris Berben bei den Hausmeistern Peter Jansen (links) und August Schwarte (2. v. rechts) sowie dem Schulassistenten Guido Moß (rechts) und dem Zivildienstleistenden Bernhard Lis für die Herrichtung der Sporthalle.
Seinen Gipfel erreicht das Grauen schließlich in einem Bericht über ein Massaker im litauischen Ponary. Hierbei zeigt sich Iris Berben als wahre Meisterin der Vortragskunst. Sie mutet sich und ihren Zuhörern mit den drastischen Schilderungen viel zu. Aus der anfänglich idyllischen Beschreibung des kleinen Städtchens und der Landschaft rundum wird ein Bericht von unvorstellbarer Brutalität, der im Publikum schockierte Fassungslosigkeit hinterlässt.