Als die Freundin Nonne wurde.
Ilka Piepgras,
Journalistin, Redakteurin im Ressort „MAGAZIN Leben“ der Wochenzeitung DIE ZEIT
„Willst du dein Herz zu einer Kirche Jesu Christi machen?“ Diese Frage eines griechisch-orthodoxen Mönches veranlasst die junge Kunststudentin Charlotte ihr Lebenskonzept grundsätzlich in Frage zu stellen. Sie entschließt sich, ihre deutsche Heimat, ihre Familie, ihre Freundin hinter sich zu lassen. Sie konvertiert, tritt in ein griechisches Kloster ein und wird Nonne: Heute leitete sie als Äbtissin Diodora drei Klöster in Griechenland. Diese Lebenswende dokumentiert die Journalistin Ilka Piepgras in ihrem Buch „Meine Freundin, die Nonne“, aus dem sie im Rahmen des Handruper Forums vortrug.
„Mit dem heutigen Thema und mit dem heutigen Gast befinden wir uns in einer besonderen Situation“, erklärte Schulleiter Franz-Josef Hanneken in seiner Begrüßungsrede, sei es doch das Ziel des Handruper Forums, „eine aktuelle und relevante Thematik aufzugreifen“. Uns so stehe das nunmehr 28. Handruper Forum ganz im Zeichen der nächsten Schulfahrt des Gymnasiums Leoninum. In wenigen Wochen werden rund 1300 Schülerinnen und Schüler, Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrer aufbrechen, um den Spuren des Apostels Paulus zu folgen, mit dessen Schritt von Kleinasien nach Griechenland, so Hanneken, „das Christentum nach Europa kam und das christliche Abendland begründet wurde.“ Der katholischen sei die griechisch-orthodoxe Kirche theologisch sehr ähnlich, in manchen Ausprägungen aber auch „faszinierend fremdartig“.
Zahlreiche Gäste waren der Einladung in die Aula des Gymnasiums gefolgt und lauschten gebannt dem Lesevortrag von Ilka Piepgras begleiteten damit in kurzen Abschnitten zwei deutsche Frauen auf ihren Lebenswegen, wie sie unterschiedlicher wohl kaum hätten sein können. Anschaulich beschreibt sie das „sorglose Alter zwischen zehn und 14“. Dickköpfig und eigensinnig sei Charlotte damals gewesen, voller Selbstvertrauen, Optimismus und Unbefangenheit. Sie selber, so Ilka Piepgras, sei eher skeptisch und nachdenklich gewesen. Aber diese Gegensätze seien der Grund für die gegenseitige Anziehung der beiden Mädchen gewesen, die mit ähnlichem familiären, konfessionellen und gesellschaftlichen Hintergrund auf ihren jeweiligen Lebensweg starteten. „Niemals, aber auch wirklich niemals“, so Ilka Piepgras, hätte sie von ihrer Freundin erwartet, dass sie einmal in ein griechisch-orthodoxes Kloster eintreten würde. Für die Familie von Charlotte sei die Entscheidung ein Schock gewesen, doch hätten ihre Eltern irgendwann erkannt, dass jegliche Versuche, sie doch noch umzustimmen, zum Scheitern verurteilt gewesen seien. Sie selber habe einen „ungeheurer Verlust“ gespürt, als die beste Freundin „so verschwunden“ sei.
Gleichwohl seien die erste Kontaktaufnahme per E-Mail und das Wiedersehen nach zwanzig Jahren „wie früher“ gewesen, auch wenn sie auch eine „gewisse Unnahbarkeit“ gespürt habe. Im Gottesdienst sei ihr die Freundin „entrückt und seltsam fremd“ vorgekommen. Gleichwohl schwingt in den Ausführungen von Ilka Piepgras die Bewunderung für das „würdevolle und elegante“ Auftreten der Freundin mit. Besonders imponieren der Autorin neben dem Gleichmut und der Ausgeglichenheit, mit der Diodora ihr Leben gestaltet, das unerschütterliche Gottvertrauen der Äbtissin. Und so beschreibt Ilka Piepgras nicht nur den klösterlichen Alltag in seinen Details, sondern sie spricht auch ihre eigenen Glaubensfragen ein. Nein, ein Leben wie das ihrer Freundin, könne sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, räumt sie ein: „Ich würde jämmerlich zugrundegehen“. Aber was sie persönlich gefunden habe, sei „ein völlig anderer Zugang zu Gott.“ Eine neue Qualität besitze heute auch die Beziehung zu ihrer Freundin: Charlotte, die Freundin aus Kindertagen, gebe es nicht mehr. Dafür habe sie aber eine neue Freundin gefunden, erklärt Ilka Piepgras: Die Nonne Diodora.
Das Buch von Ilka Piepgras , Meine Freundin, die Nonne, gibt es nun auch als Knaur Taschenbuch, zum Preis von € 8,99.
Hermann-J. Rave