Das Wuseln einer Stadt. Du mittendrin. Mit Kaufhaustüten in der Hand und gestresstem Blick im Gesicht. Es ist Donnerstagnachmittag, es ist voll, es ist laut. Du brauchst eine Pause.
Geh´ in eine Kirche. Dein Zuhause überall auf der Welt. Hier hast du Heimatrecht. Ein unsichtbares Schild hängt an der Tür: Offen für jeden. Eintritt frei. Keine Gegenleistung erforderlich.
Stille umfängt dich. Im dämmrigen Licht hängt der Geruch von Kerzenwachs. Setze dich auf eine der Bänke. Du bist nicht allein, andere sind längst da gewesen, gestern und heute: Die Bäuerin, die im Jahr 1794 auf eine gute Ernte hofft. Die Witwe, die um ihren im Osten verscharrten Mann weint. Die 17-Jährige, die schwanger ist und nicht weiß, wem sich anzuvertrauen. Der Vater, der glückselig seine Zwillinge taufen lässt; 1894 oder 2014, wer weiß.
Gott ist da, der in ihren Geschichten wohnt, in ihren Träumen und in ihrer Sehnsucht. Du lauschst dem Mann auf der Suche nach der Zeit, der Frau mit ihrem Dank für Genesung, dem Touristen, der Pilgerin, dem Hochzeitspaar. Ihre Gebete hängen in den Mauernischen, ihre Hoffnungen schweben im Längsschiff, ihre Wünsche, ihre Bitten, ihre Trauer. Herzensanliegen. Ihre Geschichten machen die Steine lebendig. Jeder Balken ist zum Gebet geworden durch sie. Ein immerwährendes Wispern. Die Wände haben jedes Wort bewahrt, jedes Seufzen, jeden Wimpernschlag. Nichts ist verborgen.
Dieses Haus gehört Gott. Hier sind die Gedanken frei. „Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, Gott, nicht schon wüsstest.“ (Ps 139,4) Hier können sie sich ausbreiten.
Wichtigkeiten verschieben sich. Bedrohliches schrumpft auf Augenhöhe. Weil alles schon mal da gewesen ist. Du bist nicht allein mit deinen Sorgen.
Tausende waren vor dir da. Tausende werden nach dir kommen. Ihr singt gemeinsam, einen unendlichen Choral. Ein Augenblick Ewigkeit an einem Donnerstagnachmittag.
(Susanne Niemeyer)
Heute: Ausschlafen und tagträumen, losgehen und einen ganz persönlichen heiligen Ort suchen. Einen Ort, der Kraft hat, dich zu verwandeln – und dem Himmel ein bisschen näher zu bringen.
Glaube braucht solche Landeplätze. Wünsche und Gebete im luftleeren Raum verfliegen schnell. Gut ist es, sie zu verankern, damit sie wirken können, Wirklichkeit werden. Auch, aber nicht nur in der Kirche.
(Melanie Kirchstein)
Wo ist ein heilsamer, heiliger Ort für dich? Suche dir deine heiligen Orte!