Handruper besuchen „Tarzan“-Aufführung im Oberhausener Musical-Theater
Nachdem wir – der Musik-Leistungskurs des Jg. 11 – uns nun fast ein ganzes Kurssemester analytisch und theoretisch mit der Kulturgeschichte und den Gegenwartsformen des Musicals auseinandergesetzt hatten, waren wir nun alle ziemlich gespannt auf die Oberhausener Tarzan-Aufführung, zu der wir am vergangenen Dienstag von Handrup aus aufgebrochen sind. In Begleitung von beinahe 50 musikbegeisterten Schülerinnen und Schülern der Jahrgänge 9 bis 11 wurde nach dem letzten Vorhang der beifallumrauschten Vorstellung das Credo des Abends zur sprichwörtlichen Mehrheitsmeinung: „Ganz großes Kino…“
Schon der Eindruck hochgestimmter Erwartungen vor Beginn der eigentlichen Vorstellung war Teil der theatralen Inszenierung in der weiträumigen Arena-Bühne des Oberhausener Metronom-Theaters: Auf verschwommenen Schrifttafeln waren kryptische Satzfetzen aus dem Kapitäns-Logbuch projiziert, das, von dumpfem Meeresrauschen und spukhaftem Seemövengeschnatter atmosphärisch untermalt, auf die tragische Schiffskatastrophe eingestimmt hat, die uns dann mit einem gleichsam eruptiven Donnerschlag aus unseren Publikumssitzen emporschrecken ließ. Und die Geschichte vom lianenschwingenden Naturburschen, den es nach dem Verlust seiner Eltern auf eine einsame Insel mit zwar friedlichen Primaten, aber jeder Menge anderer Gefahren verschlagen hat, nahm schnell an dramatischer Fahrt auf. Von seiner Gorilla-Mama Kala mit herzlicher Mutterliebe umsorgt und gegen die eifersüchtigen Attacken des Affenhäuptlings Kerchak verteidigt, erlebten wir die taktvoll vermenschlichte Disney-Version der schon hundertfach erzählten Lendenschurz-Legende in der ganzen Farbigkeit ihrer wilden und doch so schön märchenbunten Urwald- und Fabelwesen-Phantastik. Was da schon der kleine Tarzan mit Ganzkörper-Maske und Zottel-Perücke an akrobatischen Drahtseilakten zu leisten imstande war, konnte uns bereits im ersten Showteil ein ums andere Mal den Atem rauben. Als dann aber die übrigen „Stunt-Gorillas“ mit ihrer animalisch waghalsigen Lianen-Artistik loslegten und dabei immer wieder um Haaresbreite mit ihren schwarzbuschigen Affenkostümen am Zuschauerparkett vorbeifegten, war der Bann des Staunens endgültig gebrochen.
Was sich da die Verantwortlichen von Stage-Entertainment an komplizierter Bühnen-Mechanik, wohldosierten Licht- und knalligen Soundeffekten inmitten der grünschimmernden Dschungel-Deko haben einfallen lassen, mochte denn auch all unsere visuellen Sensationserwartungen an das „spektakulärste Musical unserer Zeit“ erfüllt, wenn nicht gar übertroffen haben. Nun waren hier nicht nur technische Perfektionisten und Hochleistungsportler am Werk, sondern natürlich auch Sängerdarsteller mit außergewöhnlichen Mehrfachbegabungen von musikalischer bis körperlicher Selbstbeherrschung. Dazu schimmert denn auch der Score („unsichtbar“ vom Big-Band-Orchester via Halbplayback eingespielt) von Phil Collins, der schon für die Disney-Produktion von 1999 den Soundtrack beigesteuert hat, in nostalgisch warmen Farben, wenn die Affenmutter Kala ihr kleines Findelkind zärtlich in den Schlaf singt („Dir gehört mein Herz“ – „You’ll be in My Heart“) oder Tarzan, inzwischen erwachsen, im Liebesduett auf dem Hochseil mit seiner Jane („Fremde wie ich“ – „Strangers Like Me“) in die neue Welt jener Zivilisation vordringt, die in der martialisch überzeichneten Figur des schießwütigen Clayton zunächst wie ein imperialistischer Kolonialherrscher über das friedliche Urwald-Idyll hereinfällt.
Während am Ende schließlich die menschliche Vernunft über die wissenschaftlichen Ambitionen und die zoologische Neugier des kauzigen Professor Porter, Janes Vater, triumphieren konnte und Tarzan und Jane ganz im Sinne ihrer zart wachsenden Gefühlswerdung in liebender Zweisamkeit vereint wurden, durfte das Darstellerensemble noch einmal musikalisch und akrobatisch hervorkehren, dass es gewiss zu den ersten Garnituren internationaler Musicalbesetzungen zählt und den Vergleich zu Hamburg und zum Broadway nicht zu scheuen braucht: Die furiose Choreographie zum Kehraus des aufgekratzt ekstatischen Happy-End-Finales nutzte sogleich den Applaus des Publikums, um den ganzen Raum der Metronom-Arena noch einmal für die letzten fünf Minuten in jene atemberaubende Mischung aus Großraumdisco und Wildtiergehege zu verwandeln, als die wir die Oberhausener Abendvorstellung in dankbarer Erinnerung behalten werden.
(Schülerinnen und Schüler aus dem Musik-Leistungskurs MU 481, Handrup, 19. Juni 2017)