Minister Busemann: Werden in der Schulpolitik Kurs halten – „Reformen absolut notwendig“
Bernd Busemann
Niedersächsischer Kultusminister, Hannover
Handrup (rav) – In dem Bewusstsein, dass die in Niedersachsen anstehende Schulreform „eine große Umstellung bedeutet“ und für den ein oder anderen, auch „zu forsch geht“, wird die Landesregierung an dem einmal eingeschlagenen Kurs festhalten. Das machte Kultusminister Bernd Busemann in seinem Vortrag deutlich, den er im Rahmen des Handruper Forums in der Aula des Gymnasiums Leoninum hielt.
Dass es sich bei der Schul- und Bildungspolitik „um ein Megathema“ (Busemann) handelt, machte allein schon der enorme Zuspruch deutlich, den die Veranstaltung erfuhr. Die Plätze reichten zunächst nicht aus, so dass fleißige Helfer zusätzliche Stühle heranschafften, um allen Gästen – unter ihnen zahlreiche politische Mandatsträger sowie Vertreter der umliegenden Schulen und der Schulverwaltung – eine Sitzgelegenheit zu verschaffen.
Schulleiter Pater Dr. Heiner Wilmer lenkte in seiner Einführung den Blick auf die von Minister Busemann eingeleitete „intensive Neubelebung der Schullandschaft“. Es gehe dabei „offensichtlicht nicht um irgendwelche Reformen“, sondern um das Wohl der heutigen Schülerinnen und Schüler. Seinen besonderen Dank sprach der Schulleiter dem Minister für dessen Einsatz für die freien, und damit auch kirchlichen Schulen aus, indem dieser ihnen insgesamt 150 Beamtenstellen zur Verfügung gestellt habe.
Fast eine Stunde lang legte der Kultusminister dann einige Eckdaten der von ihm vorangetrieben Reformen vor. Angesichts des „katastrophalen Abschneidens im PISA-Ländervergleich“ sei eine schnellstmögliche Umsetzung der Neuerungen im „Großunternehmen Schule“ – in Niedersachsen unterrichten an 3700 Standorten rund 81000 Lehrer und Lehrerinnen ca. 1,2 Millionen Schüler und Schülerinnen – erforderlich. „Wenn man in England von Links- auf Rechtsverkehr umsteigen wollte, könnte man das auch nicht, indem man zunächst den Lkw, dann den Autos und zuletzt den Radfahrern die neue Fahrtrichtung vorgibt“, so der Minister.
Den Vorwurf, sein dabei geäußertes Bekenntnis zum dreigliedrigen Schulsystem bedeute einen Rückschritt, konterte er mit dem Hinweis, dass es ohnehin nur 60 Gesamtschulstandorte gebe und „Niedersachsen niemals ein Gesamtschulland“ gewesen sei.
Anstelle eines integrativen Schulsystems setze das Land auf ein durchlässiges, begabungsgerechtes und wohnortnahes Schulwesen. Trotz „der schärfsten Finanzkrise des Landes“ bleibe eine „hundertprozentige Unterrichtsversorgung das Hauptziel“. Alle zum kommenden Schuljahr frei werdenden Lehrerstellen würden wiederbesetzt, versicherte der Minister.
Fördern und fordern, so laute in Zukunft die Maxime. Dies gelte nicht allein für den vorschulischen Bereich, sondern erstrecke sich über die gesamte Sekundarstufe I, wo „für jeden Schüler in allen Schulformen ein individuelles Förderkonzept“ vorgesehen sei. Klassengrößen von mehr als 30 Schülern verhinderten nach Einschätzung Busemanns die erfolgreiche Arbeit nicht, wie der Blick nach Bayern beweise. Andererseits seien die Schüler in Zukunft auch stärker gefordert. So werde beispielsweise am Gymnasium unter Beibehaltung der 265 Jahreswochenstunde die Zeit zum Abitur auf zwölf Jahre verkürzt, die zweite Fremdsprache in der sechsten und eine dritte Fremdsprache in der siebten Jahrgangsstufe eingeführt. Für alle Schulformen gelte in Zukunft: „Kein Schulabschluss ohne Abschlussprüfung.“ Es sei „eine Schande für das Land, wenn 10 Prozent der Hauptschüler ohne Abschluss dastehen.“ Außerdem sicherten zentrale Abschlussprüfungen – ab 2007 auch in Klasse zehn – die Vergleichbarkeit. Diesem Ziel, erklärte der Kultusminister, diene auch der so genannte „Schul-TÜV“. Dabei handele es sich nicht um einen „Lehrer-TÜV“, sondern „alles, was mit Schule zu tun hat, steht im Licht der Überprüfung“.
Mit Blick auf die Diskussion um die Lernmittelfreiheit unterstrich Minister Busemann, dass sie schlichtweg nicht mehr finanzierbar sei, so dass man sich entschlossen habe, auf ein zwar kostenpflichtiges, aber sozialverträgliches Leihsystem umzustellen.
„Das Fundament für eine bessere Schule ist gelegt. Die Aufholjagd geht los!“, so der Minister abschließend. In dem dann folgenden Austausch stellten auch Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums ihre Sicht der Dinge dar. Die Frage, ob „die Schule nicht ein völlig anderes Image“ brauche, „um den Wert von Bildung wieder stärker bewusst zu machen“, beantwortete der Minister zurückhaltend. Gleichwohl gelte es das Ansehen der „insgesamt hervorragenden Lehrerschaft“ in der Öffentlichkeit zu stärken.
Dass die Reformfreude des Ministers auch ihre Grenzen hat, zeigte sich schließlich, als er gefragt wurde, ob man nicht bereits in der Schulzeit so genannte „credit points“ sammeln könnte, wie sie in den neuen Studiengängen vergeben würden. „Eure „credit points“ sind zunächst einmal die Zensuren“, stellte Busemann klar. Eine Anrechnung von Schulleistungen auf das Studium, komme für ihn derzeit nicht in Frage: „So weit bin ich noch nicht.“