„Wir werden weniger, wird werden älter, wir werden bunter.“
Dr. Reiner Klingholz referierte in Handrup
Dr. Reiner Klingholz, Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung
„Wir werden weniger, wir werden älter, und wir werden bunter.“ Auf diese Formel brachte Dr. Reiner Klingholz, Geschäftsführer des Berlin-Institutes für Bevölkerung und Entwicklung, die Zukunft der in Deutschland lebenden Bevölkerung. Letzten Endes gebe es nur einen Schlüssel, um den mit dem demographischen Wandel verbundenen Veränderungen der Gesellschaft begegnen zu können: Bildung.
Über die demographische Entwicklung Deutschlands informierten Dr. Reiner Klingholz (Mitte) und seine Mitarbeiterinnen Marie-Luise Steffens und Iris Hoßmann (v. links). Für die inhaltliche Konzeption des Handruper Forums zeichnete einmal mehr Studiendirektor Paul Wöste (2. v. rechts) verantwortlich. Unter den zahlreichen Gästen, die Schulleiter Franz-Josef Hanneken (3. v. links) begrüßen konnte, waren auch Reinhard Winter (links), Erster Kreisrat des Landkreises Emsland, und der Leitende Regierungsschuldirektor Klaus Seifert von der Landesschulbehörde Osnabrück.
Im Rahmen einer Themenreihe des Handruper Forums zur Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft stellte der mit diversen Preisen ausgezeichnete Experte auf dem Gebiet der Bevölkerungsentwicklung die demographische Lage der Nation dar und lenkte den Blick dabei verstärkt auch auf das Emsland. In seiner Einführung hatte der Schulleiter des Gymnasiums Leoninum, Franz-Josef Hanneken, bereits auf die Ausnahmestellung des Emslandes hinsichtlich der Bevölkerungsentwicklung hingewiesen und dabei auch die Frage aufgeworfen, ob sich der Landkreis gar als „Modellregion“ erweisen könnte.
Fasst man die ausführlichen und mit zahlreichen Tabellen und Statistiken untermauerten Darlegungen von Dr. Klingholz zusammen, kann die Antwort nur „Ja“ lauten. Mit einer durchschnittlichen Kinderzahl von 1,6 Kindern pro Frau gehöre das Emsland zu den „Top Ten“ in Deutschland. Das Vorhandensein von Kindern mache die Region „vitaler und leistungsfähiger“ als viele andere Gebiete in Deutschland. Zwar bedeuteten „viele Kinder nicht unbedingt finanziellen Segen“, so der Referent, aber im Vergleich werde deutlich, dass eine höhere Kinderzahl mit einem größeren wirtschaftlichen Wachstum einhergehe. „Kinder erzwingen Arbeitsplätze“, erklärte Dr. Klingholz. Angesichts der Tatsache, dass es in der Region zudem mehr „unter-20-Jährige“ als „über-65-Jährige“ gebe, wertete er die Zukunftsaussichten positiv, auch wenn der Einfluss der gesamtdeutschen Entwicklung natürlich zu spüren sein werde.
Mit einer seit 1972 konstanten Zahl von 1,4 Kindern pro Frau sei ein Bevölkerungsrückgang unvermeidlich. Gleichzeitig werde die Zahl der älteren Mitbürger stetig steigen. In gut 40 Jahren werde jeder achte Bundesbürger achtzig Jahre oder älter sein, prognostizierte Dr. Klingholz. Es werde also dann problematisch, wenn die jetzt noch im Berufsleben stehende Generation der „Babyboomer“ nicht mehr arbeite und auf Versorgungsleistungen angewiesen sei.
Als ausschlaggebenden Faktor für diese Entwicklung machte Dr. Klingholz die veränderte Rolle der Frau verantwortlich. Hätten in den 60er Jahren lediglich 35% Prozent der Mädchen eines Jahrgangs das Gymnasium besucht, so seien es 40 Jahre später mehr als 55%. Parallel zu dieser Entwicklung habe das Bildungsniveau bei den Jungen abgenommen. Den Motor für die geradezu massenhafte Abwanderung von jungen Frauen aus ihrer Heimat, wie man es zum Beispiel im Osten Deutschlands beobachten könne, bilde vornehmlich die Suche nach einem geeigneten Partner. Ganze Regionen bluteten so aus: „Kein Job, keine Frau, keine Kinder.“ Ab dem Jahr 2020 sei auch in westlichen Regionen mit derartigen Phänomenen zu rechnen. Da es abwegig sei, die Frauen zu „disprivilegieren“, gelte es vielmehr die Bildungschancen speziell der Jungen deutlich zu erhöhen, forderte Dr. Klingholz. Bildung sei schließlich auch der entscheidende Schlüssel zur Integration von Kindern aus Einwandererfamilien. Nach den USA sei Deutschland das Land mit den meisten Menschen mit Migrationshintergrund. Wenn allerdings bis zu 40% der unter-25-Jährigen aus dieser Schicht statt einer Ausbildung, nur einen „Freibrief in die Arbeitslosigkeit“ erhielten, drohe ein volkswirtschaftlicher Totalschaden.