„Die Bibel ist keine göttliche Dienstanweisung“ – Alttestamentler referierte im Rahmen des Handruper Forums
Prof. Georg Steins,
Alttestamentler, Universität Osnabrück
Handrup (rav) – Dass die Bibel alles andere als ein „verstaubtes göttliches Rezeptbuch“ ist, das machte der Osnabrücker Alttestamentler Professor Georg Steins in einem Vortrag deutlich, den er im Rahmen des Handruper Forums hielt. Entsprechend dem Thema „Ganz anders als gedacht – das Gottesbild des Alten Testaments“ führte er die Zuhörer in die Gedankenwelt des Alten Testaments ein.
Schulleiter Pater Dr. Heiner Wilmer verwies in seiner Einführung auf das gängige Bild des „rächenden und strafenden Gottes“. Nicht weniger als 1000 Stellen könne man im Alten Testament hierfür anführen. Die Thematik des 14. Handruper Forums sei mit seiner Thematik also „nur auf den ersten Blick allein für Insider“ geeignet. Sein besonderer Dank galt in diesem Zusammenhang den beiden Lehrpersonen Christa Prior und Karl-Josef Bußmann, die für Planung und Organisation der Veranstaltung verantwortlich zeichneten.
Professor Steins griff in seinem Vortrag zunächst vielfach kursierende Ansichten über das Alte Testament auf: Es sei fremdenfeindlich, predige gefährliche Intoleranz und verherrliche Gewalt. Wer allerdings die „dunklen Seiten der Bibel“ benenne, dürfe „ihre überragenden Leistungen für die westliche Kultur“ nicht unberücksichtigt lassen. Grundsätzlich sei der Umgang mit der Bibel jedoch so, dass sowohl Kritiker und Verteidiger die Bibel häufig moralistisch läsen, gleichsam als „ein göttliches Rezeptbuch“ oder „eine biblische Dienstanweisung, die es zu befolgen gilt oder nicht“, kritisierte der Referent. Die Bibel sei viel eher mit einem „wilden Libretto“, einem „Textheft für die Weltoper“ vergleichbar. Die Bibel sei „genauso bunt und wild wie die Welt“. Ordnung lasse sich nur „um den Preis einer Verflachung“ erzielen. Man dürfe die Bibel eben nicht wie ein gewöhnliches Kochbuch behandeln, sondern müsse sich damit abfinden, dass „Klassiker von ihrer Rätselhaftigkeit lebten“, betonte der Wissenschaftler. Gott sei auch in der Bibel „keine Selbstverständlichkeit“, sondern er begegne den biblischen Autoren als stetige Herausforderung. Drei Fragen seien dabei von besonderer Bedeutung.
Die „erste Entdeckung Gottes“ beziehe sich auf die Frage nach dem „Wohnort Gottes“. Die Bibel gebe hier eine „originelle Antwort“, so Professor Steins, denn sie rücke die Ordnung der Zeit in den Vordergrund. Durch die Scheidung von Licht und Dunkelheit zu Beginn des Schöpfungsberichts schaffe Gott die Voraussetzung für das Leben. Zwar sei „mit dem sechsten Tag eigentlich alles erreicht“, aber der siebte Tag diene der Heiligung und Segnung der Schöpfung. „Jedes Mal, wenn nun der siebte Tag an der Reihe ist, wird das Ziel der Welt hineingeholt in ihren Lauf“, erklärte der Professor.
Die Erwählung des Volkes Israel sei „ein ungewöhnliches Gesellschaftsexperiment“ und beantworte die Frage nach dem Willen Gottes. Die Befreiung des Volkes aus der Sklaverei Ägypten zeige, dass Erlösung nicht individuell, sondern „gesellschaftlich gedacht“ werden müsse. Eine Gruppe von Menschen lerne, „neu zu leben“ entsprechend der Verheißung Gottes: „Ihr sollt nie wieder Sklaven sein und andere dazu machen.“ Damit erübrige sich auch jedwede Ausgrenzung und Benachteiligung einzelner Gruppen in der Gesellschaft.
Als zutiefst „verstörend“ wertete Professor Steins schließlich die Entdeckung von der, wie er es nannte, „Nutzlosigkeit Gottes“. „Was habe ich davon, an Gott zu glauben?“ Diese Frage sei auch für die biblischen Autoren von elementarer Bedeutung. Dass eine schlichte „Kosten-Nutzen-Rechnung“ hier nicht weiterhelfe, zeige sich am Beispiel der von Gott veranlassten Opferung Isaaks durch Abraham. Nach Auffassung von Professor Steins gehe es in dieser Erzählung – „eine Geschichte zum Davonlaufen“ – vor allem darum, Gottes Unbegreiflichkeit deutlich zu machen: „So fremd kann dir Gott werden, dass alles dir wie durchgestrichen erscheint.“ Eine moralistische Leseweise, die vom Menschen höchste Opferbereitschaft verlange, bewertete Professor Steins dann auch als „grundfalsch“.