Freren. Welche Publikumsreaktionen sind nach einer musikalisch-literarischen „romantischen Spurensuche“ zu erwarten? Jedenfalls kaum Lachsalven, lautes Juchzen, Zuschauer, die aufspringen und stehend tosenden Applaus spenden. Doch genau das ist beim Auftritt des Handruper Gesangssextetts „Auftakt“ in der „Alten Molkerei“ in Freren geschehen.
Romantik, eine Epoche, geprägt von Gefühlen, Träumen, Leidenschaft, Fantasie und vor allem von Sehnsucht. Dieses schmerzliche Verlangen nach Liebe, Ferne, nach der reinen Natur ist schwer zu greifen, genauso wie der Begriff „romantisch“. Die sechs Herren machten sich auf, der romantischen Sehnsucht nachzuspüren, doch ohne jede Spur schwülstiger Schwärmerei, die diesem Thema oft anhängt. Schon mit dem ersten Lied setzten die in Frack und Zylinder gewandeten Sänger Akzente: „Schöne Isabella von Kastilien“ ist nicht unbedingt romantisch zu nennen, aber es handelt von Liebe und Eifersucht (starke Gefühle), und es spielt im fremden Land (Fernweh). Vor allem aber ist es nicht bierernst, und mit diesem Beginn machte das Sextett deutlich, in welche Richtung das Programm steuern würde.
Laut Novalis heißt Romantik, „dem Gewöhnlichen ein ungewöhnliches Aussehen zu geben, das Banale in ein Geheimnis zu verwandeln“. „Auftakt“ nimmt es wörtlich, aber nicht ernst. So fehlt kaum etwas, das man gemeinhin bei diesem Thema erwartet: die Sehnsucht und der dunkle Wald, die Nachtigall und die blaue Blume, die unglückliche Liebe und die Loreley, der Nebel und der Wanderer, die Naturgewalten und das Unheimliche, der Jäger und die Neue Welt.
Franz-Josef Hanneken führt durch das Programm und liefert den theoretischen Hintergrund. Und da Joseph von Eichendorff als der Vertreter der romantischen Dichtung schlechthin herhalten muss, rezitieren abwechselnd Pater Olav Hamelinjck und Antonius Kuiter, Manfred Heuer und Johannes Leifeld dessen bekannteste Gedichte.
Unter Leitung des Kapellmeisters Benno Hüer singt das Sextett die beliebtesten romantischen Lieder wie „Der Mond ist aufgegangen“, „In einem kühlen Grunde“, „Frühlingsweise“ oder Silchers Vertonung von Heinrich Heines „Loreley“.
Ironische Töne
Doch bei aller Werktreue ist stets ein ironischer Unterton spürbar: Mal eine Geste an unerwarteter Stelle, mal ein jede Texterwartung ins Gegenteil verkehrender Augenaufschlag oder eine hochgezogene Braue.
Ist die Ironie im ersten Teil noch dezent, kommt sie nach der Pause voll zum Ausdruck. Nun steht der Wald im Mittelpunkt, das Sextett, jetzt in Jägerkluft, besingt den romantischen Jäger und läuft beim „Red Fox Dance“ zur komödiantischen Hochform auf. Um das Thema zu vervollständigen, gibt es schließlich noch Wildwestromantik.
Alle Sänger glänzen nicht nur mit ihrer Musikalität und perfekter Stimmführung, sondern auch schauspielerisch. Überspitzte und wirkungsvolle Theatralik, gezielt und dezent eingesetzter Klamauk, Slapstick, ein gehöriger Schuss Ironie und auch Selbstironie – das sind die Zutaten, mit denen die sechs Sänger ihr ausgesprochen unterhaltsames Programm versehen und das Publikum hinreißen, das sie erst nach zwei Zugaben entließ.
Den Erlös der Veranstaltung des Kulturkreises Impulse spendet „Auftakt“ an das von den Frerener Ärzten Claudia und Stefan Gemen gegründete Schulprojekt Panchsheel Home in Indien.
(aus: Lingener Tagespost v. 30.04.2013)
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