„Ich möchte, dass Ihr mich nicht vergesst!”
Journalist erinnerte an einen zutiefst menschlichen Papst
Zum Referenten: Andreas Englisch, Journalist und Buchautor, Rom.
Den 14. Februar 2005 wird der Vatikan-Korrespondent Andreas Englisch nie mehr vergessen. An diesem Tag bekam er einen Anruf aus dem Vatikan: Johannes Paul II. wolle ihn sehen und zwar sofort.
Aus dem Jahr 1584 stammt diese Bibel der Handruper Klosterbibliothek, in der der Journalist Andreas Englisch blätterte. Von links Pater Rektor Konrad Flatau, Schulleiter Pater Dr. Heiner Wilmer, Firmenkundendirektor Otto Klüver (Sparkasse Emsland), Andreas Englisch, Sparkassendirektor Ingo Hinrichs und der stellvertretende Schulleiter Paul Wöste.
Dem deutschen Journalisten schossen tausend Gedanken durch den Kopf. „Ich muss etwas ganz Schlimmes geschrieben und den Zorn des Papstes auf mich gezogen haben“, zermarterte sich Englisch den Kopf. Als der Korrespondent wenig später tatsächlich den Heiligen Vater traf, sah er den alten kranken Mann über ein selbstgemaltes Bild gebeugt, das der Sohn von Englisch dem Papst geschenkt hatte. Das Kind wollte dem Papst, der kurz zuvor in der Klinik behandelt worden war, auf diese Weise Genesungswünsche übermitteln.
Vor 650 Gästen des Handruper Forums zitterte Englischs Stimme, als er diesen Augenblick wieder vor Augen hatte. „Der Papst signierte das Bild und sagte: ‘Ich möchte, dass Ihr mich nicht vergesst.’“
Wahrhaft große Männer lassen sich nach den Worten von Englisch vielleicht daran erkennen, dass sie die Kleinen nicht vergessen.
Auf packende Weise schilderte der 43-Jährige in seinem Vortrag „Habemus Papam – Von Johannes Paul II. zu Benedikt XVI.“ das Leben im Vatikan. Es sei ein Zerrbild zu glauben, im Kirchenstaat herrschten mächtige Päpste mit Gefolge in prunkvollen Gemächern. In Wirklichkeit lebten hier Menschen, die bewusst auf Luxus verzichteten und Sinn für Humor hätten.
Der Korrespondent erinnerte an den Besuch von Johannes Paul II. in einer Stadt in Kasachstan, wo nur 46 Katholiken lebten. Als der Papst dort eintraf, erwarteten ihn 400000 Menschen. Der Journalist fragte einige, warum sie gekommen seien. „Die Antwort war immer gleich: ‘Wir wollten denjenigen sehen, der die Sowjetunion in die Knie gezwungen hat.’“
Englisch glaubt, dass das waffenstarrende Imperium ohne Gottes Hilfe nicht zusammengebrochen wäre. Die Faszination von Johannes Paul II. rührt nach Englischs Überzeugung daher, dass das Oberhaupt der katholischen Kirche ein Symbol für alle Menschen guten Willens war.
Auch sein Nachfolger Benedikt XVI. setze auf den interreligiösen Dialog, ohne dabei das Profil der katholischen Kirche zu verwischen. Englisch machte sich dabei die Auffassung des Papstes zu eigen, dass dieser Dialog vor allem mit dem Islam nur auf Augenhöhe möglich sei. Es sei nicht hinzunehmen, dass Christen in islamisch geprägten Ländern verfolgt würden.
Übrigens ist der Vatikan keinesfalls perfekt organisiert. „Als der neue Papst feststand, sollten sofort die Glocken des Peterdoms läuten. Das klappte aber nicht, weil der Küster das Handy ausgestellt hatte.“
Pater Dr. Heiner Wilmer, Schulleiter des Gymnasiums Leoninum, dankte dem Referenten für seinen bewegenden Vortrag und der Sparkasse Emsland für die finanzielle Förderung.
Jesus Christus ist der Maßstab christlichen Handelns – Professor Dr. phil. Jörg Splett referierte in Handrup
Zum Referenten: Prof. Dr. phil. Jörg Splett, Lehrstuhl für Philosophische Theologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt/Main.
„Christsein heißt nicht sofort Menschlichkeit, und Christen sind auch nicht von vornherein die besseren Menschen.“ Vielmehr komme es auf das persönliche Lebenszeugnis an. Für Christen bedeute das, sich zu Jesus Christus zu bekennen und ihn zum Maßstab für ihr Handeln in der Gesellschaft zu machen. Das erklärte Professor Jörg Splett in einem Vortrag, den er im Rahmen des Handruper Forums hielt.
Der stellvertretender Schulleiter Paul Wöste zeichnete in seiner Einführung kurz die Vita des sowohl an der Theologisch-Philosophischen Hochschule St. Georgen als auch als Gastprofessor an der Hochschule für Philosophie in München lehrenden Professors nach. Die Frage, „wie viel Christentum“ gebraucht werde, sei provozierend und nicht einfach zu beantworten, gehe es doch nicht allein um den individuellen Glauben, sondern dessen Tragfähigkeit für eine menschliche Gesellschaft.
Professor Dr. phil. Jörg Splett (zweiter v. links) referierte im Rahmen des Handruper Forums. Unser Foto zeigt ihn zusammen mit dem Rektor des Herz-Jesu-Klosters, Pater Konrad Flatau (links), dem Organisator der Veranstaltung, StD Karl-Josef Bußmann, dem stellvertretenden Schulleiter, StD Paul Wöste, und StD Franz-Josef Hanneken (v. rechts), der den Kontakt zu Professor Splett herstellte.
Anhand von vier Leitfragen versuchte Professor Splett Antworten auf diese Frage zu geben. Worauf könne sich denn die Personenwürde, also „ein unbedingtes Ja zu einem bedingten Menschen stützen“, wenn dieses nicht von einem „absolut freien Schöpfergott ausgesprochen werde?“, fragte Professor Splett gleich zu Anfang. Eine Bemessung der Personenwürde nach Leistungsfähigkeit sei keine ernstzunehmenden Alternative. „Dass man zu etwas taugt, ist noch kein Grund, geachtet zu werden“, stellte der Redner unter anderem mit Blick auf die Behandlung von Sklaven in der Antike fest. Gott brauche die Welt nicht um seiner selbst willen, so Professor Splett unter Berufung auf den mittelalterlichen Theologen Duns Scotus, sondern er habe den Menschen geschaffen, weil er „Mitliebende will“.
Trotz aller Schuld werde der Mensch von Gott bedingungslos bejaht. Darauf ergebe sich für den Menschen wiederum die Verpflichtung, „dieses Ja mitzusprechen“, erklärte Professor Splett, um sogleich die Frage nach dem Umgang mit Unmenschlichkeit anzufügen. „Dem Täter vergeben kann nur das Opfer“, stellte der Professor fest und fragte weiter: „Aber was passiert, wenn das Opfer das nicht kann oder nicht will?“ Könne es ohne göttliche Vergebung überhaupt eine Zukunft für Menschen, die sich der Unmenschlichkeit schuldig gemacht hätten, geben?
Ohne zwischenmenschliche Vergebung sei andererseits aber auch keine menschliche Gemeinschaft möglich, gab Professor Splett zu bedenken. „Vergebung muss sein“, unterstrich er, auch wenn diese einen „Rechtsverzicht im Dienste des Miteinanders“ bedeute. Auf derartige innerweltliche Rechtsansprüche könne man aber wohl nur verzichten, wenn man von der Hoffnung auf Vollendung getragen sei, so wie sie im Abschiedsgebet Jesu im 17. Kapitel des Johannesevangeliums deutlich werde.
Ohne eine solche Hoffnung wiederum könne es keine wirkliche Gemeinschaft mit den Toten geben. In der Auferstehung Jesu sei deutlich geworden, dass es nicht um „die Sache“ gehe, die weiterlebe, sondern um die Vollendung des ganzen Menschen.
Wenn alles gleich gültig ist, ist alles gleichgültig – Prof. Dr. Peter Hofmann referierte in Handrup.
Zum Referenten: Prof. Dr. Peter Hofmann, Lehrstuhl für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Universität Koblenz
Dass Toleranz gegenüber anderen Religionen mehr bedeutet als lediglich deren Duldung, das machte der Koblenzer Fundamentaltheologe und Dogmatiker Professor Peter Hofmann in Handrup deutlich. Im Rahmen des Handruper Forums sprach er zum Thema „Schluss mit Toleranz? – Der eine Christus und die vielen Religionen“.
Schulleiter Pater Dr. Heiner Wilmer griff in seiner Einführung auf eine These des Politikwissenschaftler Samuel Huntington zurück, demzufolge die Weltpolitik des 21. Jahrhunderts vor allem von Konflikten zwischen Angehörigen unterschiedlicher Kulturkreise bestimmt sein werde. Auch wenn Huntington seine Aussagen mittlerweile entschärft habe, stelle sich doch nach wie vor die Frage, welche Position der Einzelne angesichts einer immer bunter werdenden Mischung aus verschiedene Kulturen und Religionen einnehmen könne.
Der Fundamentaltheologe Professor Peter Hofmann (Mitte) referierte im Rahmen des Handruper Forums. Unser Foto zeigt ihn zusammen mit Schulleiter Pater Dr. Heiner Wilmer (rechts) sowie dem Organisator der Veranstaltung, Karl-Josef Bußmann.
Auf jeden Fall nicht eine solche, die alle Konzepte und Lebensentwürfe für „gleich gültig“ erkläre, betonte Professor Hofmann gleich zu Beginn seiner Ausführungen. „Wenn alles gleich gültig ist, dann ist alles auch gleichgültig und somit egal.“ Auf dem Gebiet der Religionen sei eine solche Position aber fatal, denn es gehe dabei nicht um irgendwelche Geschmäcker, sondern um existentielle Lebensfragen.
Eine klare Absage erteilte der Professor in diesem Zusammenhang dem Toleranzbegriff Lessings, werde doch in der berühmten Ringparabel aus „Nathan der Weise“ der Eindruck erweckt, als gebe es zwischen den drei großen Religionen keinen fundamentalen Unterschied. Man könne als Mensch aber gar nicht wissen, ob alle Religionen „gleichwertige Wege zum Heil“ seien. Eine solche Auffassung von Toleranz sei im Kern sogar „totalitär“, denn „wer die ganze Menschheit umarmt, läuft Gefahr den einzelnen Menschen zu übersehen.“ Das Zweite Vatikanische Konzil habe eindeutig klargestellt, dass es „keine Ablehnung dessen, was den anderen Religionen heilig ist“, geben dürfe. Das erfahre man aber nur, wenn man „dem Gegenüber auch ins Gesicht“ schaue und miteinander über religiöse Inhalte ins Gespräch komme. Gleichwohl, gab Professor Hofmann zu bedenken, werde man sich dabei damit abfinden müsse, dass es Themen gebe, bei denen man nicht zu einer Einigung kommen könne. Er verwies dabei auf die unterschiedliche Beurteilung der Person Jesu Christi im Christentum und Islam: Für Christen sei er der Sohn Gottes, für Muslime ein Prophet.
War der Vortrag am Vorabend vor allem durch seine fundamentaltheologische Ausrichtung geprägt, versuchte Professor Hofmann am Morgen im Gespräch mit dem zwölften Jahrgang des Gymnasiums das Problem der Toleranz konkreter zu fassen. „Patentrezepte kann ich Ihnen jedoch nicht an die Hand geben“, räumte er gleich zu Beginn ein. Deshalb gebe es auf viele Fragen auch nicht immer eindeutige Antworten. Er halte aber die Aussage, dass „jeder nach eigener Fasson glücklich werden sollte“ für eine „Killerphrase“. Was sei denn, wenn man sehe, dass der Mitmensch genau auf diesem Wege in sein Unglück renne? Auf die Frage, ob er denn die Suspendierung von zwei Schülerinnen, die in Vollverschleierung zum Unterricht an einer Bonner Gesamtschule erschienen seien, für gerechtfertigt halte, entgegnete Professor Hofmann, dass im persönlichen Gespräch zunächst geklärt werden müsste, warum die beiden die so genannte Burka angelegt hätten. Was aber, wenn sich dann herausstellte, dass mit der dieser Kleidung weniger eine religiöse Ausrichtung als vielmehr die Ablehnung von Werten und Normen des Umfeldes verbunden seien? Dann, so Professor Hofmann, bestehe kein Zweifel mehr, dass es „keine Toleranz gegenüber der Intoleranz geben“ dürfe.
Zur Referentin:
Iris Berben deutsche Schauspielerin
Vortrag im Rahmen des „16. Handruper Forums“ vom 16. November 2004.
Rekordkulisse beim Handruper Forum mit Iris Berben
Handrup (rav) – Applaus wollte zunächst nicht recht aufkommen, als die Lichter in der Sporthalle des Handruper Gymnasiums Leoninum wieder angingen. Vielmehr herrschten Verstörung und Sprachlosigkeit vor, nachdem die Schauspielerin Iris Berben mit der letzten Zeile aus einem Gedicht von Charlotte Delbo ihren Leseabend beendet hatte. „Wusstet ihr es, ihr Wissenden?“ Nicht nur diese Frage wird die rund 1100 Besucher des Handruper Forums beschäftigt haben, nachdem die bekannte Darstellerin aus „Hitlers Tischgesprächen im Führerhauptquartier“ vorgetragen hatte. Schulleiter Pater Dr. Heiner Wilmer würdigte in seiner Begrüßungsrede vor allem das Engagement der Schauspielerin, „die Erinnerung an die Opfer der Nationalsozialisten wach zu halten.“
Nach ihrem eindrucksvollen Auftritt überreichte Pater Dr. Heinrich Wilmer Iris Berben einem Blumenstrauß.
Diesem Anliegen kam Iris Berben dann in dem fast zweistündigen Programm auf eindrucksvolle Weise nach. Auszüge aus den vom Zeitzeugen Henry Picker aufgezeichneten Gesprächen Hitlers mit engen Vertrauten bestimmen den ersten Teil der Lesung. Mit zum Teil kühler Distanz trägt Iris Berben Hitlers wahnwitzige Ideen vor – allesamt unwidersprochen. Hitler lässt sich aus über die „deutsche Herrenrasse“, ergeht sich in Schimpf- und Hasstiraden über „die Drecksjuden“, wettert gegen das Christentum und die „Pfaffen“. Der Führer bescheinigt sich dabei selbst, tolerant zu sein und erklärt, „noch nie Gefallen daran gefunden zu haben, andere zu schinden.“ Auf der einen Seite begegnen sich beißender Zynismus und ungeheure Brutalität, auf der anderen dann immense Dummheit, die sich in Sätzen wie „Christus war ein Arier“ offenbart oder wenn Hitler sein Frauenbild preisgibt: „Die Welt der Frau ist der Mann.“ Den ungeheuerlichen Aussagen des Tyrannen stellt Iris Berben die Berichte von Opfern der Nazidiktatur entgegen. Sie steht dabei vor einem Steinblock, der in seinem Äußeren den Stelen des Holocaust-Denkmals in Berlin entspricht. In fahles Licht getaucht trägt sie Berichte über die grausame Behandlung von Schwangeren, Müttern und Kindern im Frauenlager Ravensbrück vor. Doch damit ist der Gipfel des Schreckens noch nicht erreicht. Nach der Pause steigert sich die Intensität. „Den Hahn aufzudrehen, war ja keine große Sache“, ein Zitat des Vergasungsarztes Georg Renno steht auf der Leinwand im Hintergrund der nur spärlich ausgestatteten Bühne, während Iris Berben jetzt nur noch Erfahrungsberichte von Überlebenden vorträgt. Sie handeln von Homosexuellen, die versuchen zu fliehen und dafür grausam gefoltert wurden, von Sinti und Roma, die für SS-Schergen musizieren mussten und dann doch erschossen wurden.
Nach der Veranstaltung bedankte sich Iris Berben bei den Hausmeistern Peter Jansen (links) und August Schwarte (2. v. rechts) sowie dem Schulassistenten Guido Moß (rechts) und dem Zivildienstleistenden Bernhard Lis für die Herrichtung der Sporthalle.
Seinen Gipfel erreicht das Grauen schließlich in einem Bericht über ein Massaker im litauischen Ponary. Hierbei zeigt sich Iris Berben als wahre Meisterin der Vortragskunst. Sie mutet sich und ihren Zuhörern mit den drastischen Schilderungen viel zu. Aus der anfänglich idyllischen Beschreibung des kleinen Städtchens und der Landschaft rundum wird ein Bericht von unvorstellbarer Brutalität, der im Publikum schockierte Fassungslosigkeit hinterlässt.
Minister Busemann: Werden in der Schulpolitik Kurs halten – „Reformen absolut notwendig“
Zum Referenten: Bernd Busemann
Niedersächsischer Kultusminister, Hannover
Handrup (rav) – In dem Bewusstsein, dass die in Niedersachsen anstehende Schulreform „eine große Umstellung bedeutet“ und für den ein oder anderen, auch „zu forsch geht“, wird die Landesregierung an dem einmal eingeschlagenen Kurs festhalten. Das machte Kultusminister Bernd Busemann in seinem Vortrag deutlich, den er im Rahmen des Handruper Forums in der Aula des Gymnasiums Leoninum hielt.
Kultusminister Bernd Busemann (2. v. links) erläuterte in Handrup die Wege der niedersächsischen Bildungspolitik. Begrüßt wurde er von Schulleiter Pater Dr. Heiner Wilmer (links), Pater Rektor Heinrich Mentrup und dem Leitenden Regierungsschuldirektor Klaus Seifert (v. rechts).
Dass es sich bei der Schul- und Bildungspolitik „um ein Megathema“ (Busemann) handelt, machte allein schon der enorme Zuspruch deutlich, den die Veranstaltung erfuhr. Die Plätze reichten zunächst nicht aus, so dass fleißige Helfer zusätzliche Stühle heranschafften, um allen Gästen – unter ihnen zahlreiche politische Mandatsträger sowie Vertreter der umliegenden Schulen und der Schulverwaltung – eine Sitzgelegenheit zu verschaffen.
Schulleiter Pater Dr. Heiner Wilmer lenkte in seiner Einführung den Blick auf die von Minister Busemann eingeleitete „intensive Neubelebung der Schullandschaft“. Es gehe dabei „offensichtlicht nicht um irgendwelche Reformen“, sondern um das Wohl der heutigen Schülerinnen und Schüler. Seinen besonderen Dank sprach der Schulleiter dem Minister für dessen Einsatz für die freien, und damit auch kirchlichen Schulen aus, indem dieser ihnen insgesamt 150 Beamtenstellen zur Verfügung gestellt habe.
Fast eine Stunde lang legte der Kultusminister dann einige Eckdaten der von ihm vorangetrieben Reformen vor. Angesichts des „katastrophalen Abschneidens im PISA-Ländervergleich“ sei eine schnellstmögliche Umsetzung der Neuerungen im „Großunternehmen Schule“ – in Niedersachsen unterrichten an 3700 Standorten rund 81000 Lehrer und Lehrerinnen ca. 1,2 Millionen Schüler und Schülerinnen – erforderlich. „Wenn man in England von Links- auf Rechtsverkehr umsteigen wollte, könnte man das auch nicht, indem man zunächst den Lkw, dann den Autos und zuletzt den Radfahrern die neue Fahrtrichtung vorgibt“, so der Minister.
Den Vorwurf, sein dabei geäußertes Bekenntnis zum dreigliedrigen Schulsystem bedeute einen Rückschritt, konterte er mit dem Hinweis, dass es ohnehin nur 60 Gesamtschulstandorte gebe und „Niedersachsen niemals ein Gesamtschulland“ gewesen sei.
Anstelle eines integrativen Schulsystems setze das Land auf ein durchlässiges, begabungsgerechtes und wohnortnahes Schulwesen. Trotz „der schärfsten Finanzkrise des Landes“ bleibe eine „hundertprozentige Unterrichtsversorgung das Hauptziel“. Alle zum kommenden Schuljahr frei werdenden Lehrerstellen würden wiederbesetzt, versicherte der Minister.
Fördern und fordern, so laute in Zukunft die Maxime. Dies gelte nicht allein für den vorschulischen Bereich, sondern erstrecke sich über die gesamte Sekundarstufe I, wo „für jeden Schüler in allen Schulformen ein individuelles Förderkonzept“ vorgesehen sei. Klassengrößen von mehr als 30 Schülern verhinderten nach Einschätzung Busemanns die erfolgreiche Arbeit nicht, wie der Blick nach Bayern beweise. Andererseits seien die Schüler in Zukunft auch stärker gefordert. So werde beispielsweise am Gymnasium unter Beibehaltung der 265 Jahreswochenstunde die Zeit zum Abitur auf zwölf Jahre verkürzt, die zweite Fremdsprache in der sechsten und eine dritte Fremdsprache in der siebten Jahrgangsstufe eingeführt. Für alle Schulformen gelte in Zukunft: „Kein Schulabschluss ohne Abschlussprüfung.“ Es sei „eine Schande für das Land, wenn 10 Prozent der Hauptschüler ohne Abschluss dastehen.“ Außerdem sicherten zentrale Abschlussprüfungen – ab 2007 auch in Klasse zehn – die Vergleichbarkeit. Diesem Ziel, erklärte der Kultusminister, diene auch der so genannte „Schul-TÜV“. Dabei handele es sich nicht um einen „Lehrer-TÜV“, sondern „alles, was mit Schule zu tun hat, steht im Licht der Überprüfung“.
Mit Blick auf die Diskussion um die Lernmittelfreiheit unterstrich Minister Busemann, dass sie schlichtweg nicht mehr finanzierbar sei, so dass man sich entschlossen habe, auf ein zwar kostenpflichtiges, aber sozialverträgliches Leihsystem umzustellen.
„Das Fundament für eine bessere Schule ist gelegt. Die Aufholjagd geht los!“, so der Minister abschließend. In dem dann folgenden Austausch stellten auch Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums ihre Sicht der Dinge dar. Die Frage, ob „die Schule nicht ein völlig anderes Image“ brauche, „um den Wert von Bildung wieder stärker bewusst zu machen“, beantwortete der Minister zurückhaltend. Gleichwohl gelte es das Ansehen der „insgesamt hervorragenden Lehrerschaft“ in der Öffentlichkeit zu stärken.
Dass die Reformfreude des Ministers auch ihre Grenzen hat, zeigte sich schließlich, als er gefragt wurde, ob man nicht bereits in der Schulzeit so genannte „credit points“ sammeln könnte, wie sie in den neuen Studiengängen vergeben würden. „Eure „credit points“ sind zunächst einmal die Zensuren“, stellte Busemann klar. Eine Anrechnung von Schulleistungen auf das Studium, komme für ihn derzeit nicht in Frage: „So weit bin ich noch nicht.“
“Die Bibel ist keine göttliche Dienstanweisung” – Alttestamentler referierte im Rahmen des Handruper Forums
Zum Referenten: Prof. Georg Steins, Alttestamentler, Universität Osnabrück
Handrup (rav) – Dass die Bibel alles andere als ein “verstaubtes göttliches Rezeptbuch” ist, das machte der Osnabrücker Alttestamentler Professor Georg Steins in einem Vortrag deutlich, den er im Rahmen des Handruper Forums hielt. Entsprechend dem Thema “Ganz anders als gedacht – das Gottesbild des Alten Testaments” führte er die Zuhörer in die Gedankenwelt des Alten Testaments ein.
Der Alttestamentler Professor Georg Steins (2. v. rechts) sprach im Rahmen des Handruper Forums. Unser Foto zeigt ihn zusammen mit Schulleiter Pater Dr. Heiner Wilmer (rechts) sowie den Organisatoren der Veranstaltung, Christa Prior und Karl-Josef Bußmann.
Schulleiter Pater Dr. Heiner Wilmer verwies in seiner Einführung auf das gängige Bild des “rächenden und strafenden Gottes”. Nicht weniger als 1000 Stellen könne man im Alten Testament hierfür anführen. Die Thematik des 14. Handruper Forums sei mit seiner Thematik also “nur auf den ersten Blick allein für Insider” geeignet. Sein besonderer Dank galt in diesem Zusammenhang den beiden Lehrpersonen Christa Prior und Karl-Josef Bußmann, die für Planung und Organisation der Veranstaltung verantwortlich zeichneten.
Professor Steins griff in seinem Vortrag zunächst vielfach kursierende Ansichten über das Alte Testament auf: Es sei fremdenfeindlich, predige gefährliche Intoleranz und verherrliche Gewalt. Wer allerdings die “dunklen Seiten der Bibel” benenne, dürfe “ihre überragenden Leistungen für die westliche Kultur” nicht unberücksichtigt lassen. Grundsätzlich sei der Umgang mit der Bibel jedoch so, dass sowohl Kritiker und Verteidiger die Bibel häufig moralistisch läsen, gleichsam als “ein göttliches Rezeptbuch” oder “eine biblische Dienstanweisung, die es zu befolgen gilt oder nicht”, kritisierte der Referent. Die Bibel sei viel eher mit einem “wilden Libretto”, einem “Textheft für die Weltoper” vergleichbar. Die Bibel sei “genauso bunt und wild wie die Welt”. Ordnung lasse sich nur “um den Preis einer Verflachung” erzielen. Man dürfe die Bibel eben nicht wie ein gewöhnliches Kochbuch behandeln, sondern müsse sich damit abfinden, dass “Klassiker von ihrer Rätselhaftigkeit lebten”, betonte der Wissenschaftler. Gott sei auch in der Bibel “keine Selbstverständlichkeit”, sondern er begegne den biblischen Autoren als stetige Herausforderung. Drei Fragen seien dabei von besonderer Bedeutung.
Die “erste Entdeckung Gottes” beziehe sich auf die Frage nach dem “Wohnort Gottes”. Die Bibel gebe hier eine “originelle Antwort”, so Professor Steins, denn sie rücke die Ordnung der Zeit in den Vordergrund. Durch die Scheidung von Licht und Dunkelheit zu Beginn des Schöpfungsberichts schaffe Gott die Voraussetzung für das Leben. Zwar sei “mit dem sechsten Tag eigentlich alles erreicht”, aber der siebte Tag diene der Heiligung und Segnung der Schöpfung. “Jedes Mal, wenn nun der siebte Tag an der Reihe ist, wird das Ziel der Welt hineingeholt in ihren Lauf”, erklärte der Professor.
Die Erwählung des Volkes Israel sei “ein ungewöhnliches Gesellschaftsexperiment” und beantworte die Frage nach dem Willen Gottes. Die Befreiung des Volkes aus der Sklaverei Ägypten zeige, dass Erlösung nicht individuell, sondern “gesellschaftlich gedacht” werden müsse. Eine Gruppe von Menschen lerne, “neu zu leben” entsprechend der Verheißung Gottes: “Ihr sollt nie wieder Sklaven sein und andere dazu machen.” Damit erübrige sich auch jedwede Ausgrenzung und Benachteiligung einzelner Gruppen in der Gesellschaft.
Als zutiefst “verstörend” wertete Professor Steins schließlich die Entdeckung von der, wie er es nannte, “Nutzlosigkeit Gottes”. “Was habe ich davon, an Gott zu glauben?” Diese Frage sei auch für die biblischen Autoren von elementarer Bedeutung. Dass eine schlichte “Kosten-Nutzen-Rechnung” hier nicht weiterhelfe, zeige sich am Beispiel der von Gott veranlassten Opferung Isaaks durch Abraham. Nach Auffassung von Professor Steins gehe es in dieser Erzählung – “eine Geschichte zum Davonlaufen” – vor allem darum, Gottes Unbegreiflichkeit deutlich zu machen: “So fremd kann dir Gott werden, dass alles dir wie durchgestrichen erscheint.” Eine moralistische Leseweise, die vom Menschen höchste Opferbereitschaft verlange, bewertete Professor Steins dann auch als “grundfalsch”.
“Die Bibel ist keine göttliche Dienstanweisung” – Alttestamentler referierte im Rahmen des Handruper Forums
Zum Referenten: Michael Felten Pädagoge und Publizist, Köln
Manuskripttext des Vortrags:
„Verlernt zu erziehen?“
– Kommen Schule und Elternhaus ihren Erziehungsverpflichtungen noch nach? –
Verehrte Anwesende,
der Untertitel zu dieser Veranstaltung hat die Frage aufgeworfen, ob Schule und Elternhaus ihren Erziehungsverpflichtungen heute noch nachkommen. Falls Sie es an diesem Abend ganz eilig haben sollten, will ich vorweg schon einmal eine schnelle Antwort geben, sie lautet: Es kommt darauf an: In manchen Fällen durchaus, in anderen einigermaßen, nicht selten aber auch mehr schlecht als recht. Sie werden zwar jetzt blitzschnell überlegen, welcher Teilgruppe Sie sich zurechnen sollten oder ob es noch eine vierte irgendwo dazwischen gäbe, aber: Sie wollen vermutlich mehr dazu von mir hören. Ich freue mich, daß Sie sich so zahlreich für eine eingehendere Erörterung dieser Fragestellung Zeit genommen haben, ich danke für die Einladung Ihnen meine Überlegungen dazu vorstellen zu dürfen, und ich hoffe, daß auch Sie selbst nachher aus Ihren Erfahrungen dazu beitragen werden.
Lassen Sie mich zunächst einen Blick auf die allgemeine Lage des Projekts Jugend werfen.
Spätestens seit den Befunden von Pisa ist die Debatte über die Situation der Jugend wenn auch nicht zur Kanzlersache, so doch zu einer öffentlich stärker beachteten Angelegenheit geworden. Aber die Diskussion war – wo sie nicht nach der üblichen Medienaufgeregtheit ohnehin im Sande verlief – mit deutlichen Scheuklappen behaftet. So konzentrierten sich viele Stellungnahmen zur mageren Leistungsbilanz deutscher Schüler auf organisatorische oder ökonomische Forderungen: nach höheren materiellen Aufwendungen für das Bildungswesen etwa (die mir teils berechtigt, teils illusorisch, teils unnötig erscheinen) oder nach einer Umstrukturierung des Schulsystems (dabei waren Finnland und Japan gar nicht wegen ihrer Gesamtschulen so erfolgreich). Andere Ursachenvermutungen waren nicht von der Hand zu weisen: die vielfach mangelhafte Anregung im Kindergarten, die geringe Sprachkompetenz von Migrantenkindern; die methodischen Schwächen manchen Fachunterrichts. Aber merkwürdig: Kaum jemand hielt sich lange damit auf, daß möglicherweise das veränderte Erziehungsklima im Elternhaus oder die Einstellung zu Disziplin und Leistung unter den Lehrern zu der neudeutschen Bildungsnot beigetragen haben könnten.
Auch die Reaktionen auf die Bluttat von Erfurt wiesen eine gewisse Engstirnigkeit auf. Da war zum einen die ausgesprochen gespenstisch anmutende Debatte um den Einfluß massenhaft konsumierter gewaltverherrlichender Videos und Computerspiele. Daß diese den Amoklauf des jungen Mannes aus Thüringen begünstigt haben, ist doch für jeden unstrittig, der solche Medien kennt – es sei denn, er stünde im Sold entsprechender Produzenten oder hege eine grundsätzliche Abneigung gegen pädagogische oder staatliche Regularien. Man mache sich nur einmal die Mühe, derartige Bildfolgen stundenlang auf sich einprasseln zu lassen, und stelle sich das über Jahre hinweg vor – aber nicht mit der Psyche eines gefestigten Erwachsenen, als wohldotierter Medienexperte, sondern im Zustand jugendlicher Labilität! Was würde man dann von der Behauptung halten, man könne keinen direkt ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Anschauen eines Gewaltvideos und der Ausführung einer Gewalttat nachweisen?
Zum anderen wurde für den Amoklauf gerne – mal offener, mal zwischen den Zeilen – das angebliche Auslesesystem Schule und die vermeintlich düsteren Zukunftsperspektiven verantwortlich gemacht, frei nach dem Motto „Wer Druck oder Aussichtslosigkeit sät, wird Gewalt oder Verzweiflung ernten“. Vergleichsweise gering dagegen war das öffentliche Nachdenken darüber, ob der in sich gekehrte Sonderling vielleicht einmal ein Kind war, um das sich die doppelt berufstätigen Eltern zu wenig kümmern konnten oder mochten. Und ob nicht viel zu viele Lehrer Jugendliche in Bildungsgänge hineinstolpern lassen, in denen sie absehbar nicht erfolgreich werden können.
Aber verlassen wir einmal die großen Schauplätze und suchen andernorts nach Anhaltspunkten für den Verdacht, wir könnten verlernt haben zu erziehen. Im Restaurant wird man – zumindest in Köln – tatsächlich immer öfter mit Kindern konfrontiert, denen anscheinend niemand klar gemacht hat, daß sie sich nicht zuhause, sondern in einer kultivierten Öffentlichkeit befinden: Sie benehmen sich so, daß anderen Gästen nicht nur der Appetit vergeht, sondern auch der Gesprächsfaden entgleitet – die progressiven Eltern aber hüten sich konsequent, die Selbstentfaltung ihrer Liebsten einzuschränken. Auch in Bussen und Bahnen sind die Folgen einer weithin „verweigerten Erziehung“ unübersehbar: Selbst bei Regenwetter ist kaum eine Sitzfläche mehr vor lässig hochgestellten Schuhen sicher – Mitreisende jeden Alters scheuen sich aber, auch nur hinzusehen, geschweige denn, etwas dazu zu sagen, auch bei Jugendlichen, denen anzusehen ist, daß sie nicht zuschlagen werden, auch in einer Stadt, die an jeder dritten Litfaßsäule Aufforderungen wie „Hinsehen und Handeln“ oder „Müll: Jetzt langt’s“ plakatiert. Manchmal scheint es, als sei die ganze Gesellschaft paralysiert: Als würde sie der Devise huldigen: Nicht das verzogene Kind ist tyrannisch, sondern die auf gewisse Regeln pochende Gesellschaft, in der es lebt.
Und was sagen Außenstehende zu unserer Frage? Der iranische Filmregisseur Majid Majidi erzählt in seinem mehrfach preisgekrönten Film „Baran“ die Liebesgeschichte zweier Heranwachsender, die sich auf einer zugigen Baustelle im Norden Teherans abrackern müssen – damit ihre Familien überleben können. Majidi wollte damit ein Gegenbild zur westlichen Welt von heute schaffen, in der man, wie er findet, „von einer Herrschaft der Kinder sprechen kann. Die Erwachsenen denken, “ fährt der Regisseur fort“, daß sie alle Unannehmlichkeiten ertragen müssen, damit es den Kindern gut geht. Das Ergebnis sind Kinder mit zu wenig Verantwortungsbewußtsein. Als ich ein Kind war, war ich immer besorgt um meine Eltern. Wenn ich heute meine Kinder ansehe, dann weiß ich, daß sich das genau umgedreht hat.“ Ich glaube, viele von uns müßten ihm – zumindest ein Stück weit – beipflichten.
Zu dieser Umkehrung der Verhältnisse paßt auch, was kürzlich in der ‘Zeit’ zu lesen war. Vier Mütter berichteten darüber, wie chaotisch es in den Zimmern ihrer jugendlichen Söhne und Töchter aussähe und wie sehr sie sich anstrengen würden, diese – wie sie es nannten – eigene Welt zu akzeptieren: Haschischposter an den Wänden, verschimmelte Lebensmittel halb auf halb unter dem Teppich, im familiären Streit von Söhnen eingetretene Türen, oder schon am frühen Morgen eine Lautstärke der Musik, die sie allein körperlich kaum aushielten. Zwei Wochen später wurden drei Leserbriefe veröffentlicht, die sich mehr als erstaunt über die Schwäche dieser Mütter zeigten, die daran erinnerten, daß die Halbwüchsigen doch eine recht kostenintensive Fürsorge genössen, und die von den Eltern schärfere Maßnahmen forderten. Diese Briefe stammten – von Jugendlichen.
Wenn ich all’ diese Eindrücke zusammenfassen sollte und dabei Anleihen bei der Jugendsprache machen würde, läge es nahe zu sagen: Irgendwie Wahnsinn! Und: Warum tuen wir unserer Jugend – und nicht zuletzt uns – so etwas eigentlich an? Meine Diagnose: Weil alle am Projekt Jugend Beteiligten – und das sind mehr als Eltern, Kindergärtner oder Lehrer – seit geraumer Zeit mehr oder weniger antipädagogisch infiziert sind! Der pädagogische Zeitgeist der letzten Jahrzehnte hat eine Reihe äußerst schwer erkennbarer Theorie“viren“ in unsere mentalen Programme eingeschleust. Das Dumme ist nur – und das ist ja typisch für solche Erreger – daß sie lange Zeit nicht als sonderlich störend empfunden wurden, sondern als urwüchsig pädagogisch. Ich nenne nur einige dieser Mythen der jüngeren Pädagogik:
•Kinder wissen selbst am besten, was gut für sie ist.
•Kinder sollen möglichst ohne Belastungen, Konflikte oder Versagungen aufwachsen.
•Wichtig ist vor allem ein gutes Selbstwertgefühl – die guten Fähigkeiten kommen dann schon von selbst.
•Lernen geschieht am besten spielerisch und soll Spaß machen.
•Leistungserwartungen machen Kindern Angst, deshalb sind Beurteilungen und Kritik unpädagogisch.
•Disziplin und Strenge, Verbote und Strafen schaden der kindlichen Entwicklung.
Was ebenso häufig wie ungenau als allgemeine Verunsicherung der Erzieher beklagt wird, erweist sich somit im Kern als verhaltene bis überzeugte Verweigerung von Erziehung. Diese beruht auf Vorstellungen, die sich bis zu Rousseau zurückverfolgen lassen, die aber insbesondere die Pädagogik im 20. Jahrhundert – dem sogenannten des Kindes – maßgeblich geprägt haben. Sie wollte der bessere Anwalt des Kindes sein und es von möglichst vielen Zwängen befreien. So hilfreich solch’ antiautoritäre Impulse aber noch vor dreißig Jahren gewesen sein mögen, mittlerweile treffen sie auf viele Jugendliche, die sich vor lauter Freiheiten kaum noch retten können, die über Langeweile, Betäubung oder Gewalt nicht allzuweit hinaus geraten, die nach Orientierung geradezu rufen.
Dabei würde erziehen doch – einfach gesagt – heißen, jedes Kind einerseits als ein ganz einzigartiges Wesen wahrzunehmen und auf es individuell einzugehen, es aber andererseits auch aktiv und zielstrebig in das allgemeine Leben hineinzuführen. Oder, um eine gängige Redewendung zu variieren, man sollte junge Menschen zwar da abholen, wo sie stehen, aber nicht bei ihnen stehenbleiben oder sie lediglich bei ihren Launen begleiten, sondern sie auch zu sinnvollen Schritten herausfordern und ihnen diese dann auch tatsächlich zumuten.
Ein Bild, das diesen Sachverhalt zumindest formal etwas genauer faßt, ist das vom „magischen Erziehungsdreieck“ (Hurrelmann). Demnach brauchen Heranwachsende dreierlei, um nicht nur selbstbewußt, sondern auch leistungsfähig und verantwortungsbereit zu werden: Anerkennung, Anregung und Anleitung. An diesen drei Dimensionen läßt sich vielleicht ganz gut prüfen, ob und inwieweit wir verlernt haben zu erziehen.
Zeit ist Geld, aber Kinder sind unbezahlbar
In der ersten Dimension geht es darum, wie wir als Erzieher zur Person des Kindes stehen, Stichwort: Anerkennung. Das bedeutet hier natürlich bei weitem nicht nur das ausdrückliche Lob, gemeint ist vor allem die grundsätzliche Wertschätzung und ganz konkrete Beachtung, aber auch der Respekt vor der jeweiligen Eigenart und das Gewähren von sinnvollen Freiräumen. Hier das rechte Maß zu finden, ist oft alles andere als einfach. Bei mangelnder Begeisterung fühlen sich Kinder schnell abgelehnt, in zu engen Beziehungen hingegen kann Unselbständigkeit und Abwehr entstehen. Man muß sich keineswegs rund um die Uhr mit Kindern beschäftigen oder sie permanent loben, aber für sie ansprechbar sein, ein offenes Auge für sie haben, mit ihnen auch Stunden der Muße verbringen können, das geht nicht ohne ein erhebliches Quantum Zeit. Angesichts von Tendenzen zum begeisterten Doppelverdienen und zum überzeugten oder leichtfertigen Alleinerziehen möchte ich deshalb betonen: Liebe allein genügt nicht, viele Kinder brauchen mehr mitmenschliche und pädagogische Aufmerksamkeit.
Man ist geneigt, an diesem Punkt schnell zu nicken – und zu wenig zu tun. So hat die aktuelle Bindungsforschung schon bei Kleinkindern Gefahr im Verzug registriert: Demnach ist allein in den vergangenen 20 Jahren der Anteil sicherer Bindungsmuster bei Zweijährigen von 68% auf 45% zurückgegangen. Mit anderen Worten: Die Verbreitung unsicherer oder stark gestörter seelischer Grundbefindlichkeit im frühen Kindesalter hat um zwei Drittel zugenommen. Das ist beunruhigender als ein Schwarzer Tag an der Börse, denn es wirkt ein Leben lang nach. Solche stark verunsicherten Kinder neigen zu Aggressionen oder Angst gegenüber den Müttern, zum Ignorieren elterlicher Gebote und Verbote, zu Unzufriedenheit und Unruhe, zu reduziertem Erkundungsverhalten und eingeschränkter Selbstständigkeit. In der Schule sind solche Kinder oft in Streit verwickelt oder stören andere, sie fallen auf durch erhöhte Aggressivität, mangelnde Konzentration und Gedächtnisstörungen – die „neuen Kinder“ eben, die unseren Unterricht auf eine so unglückliche Weise lebendig machen. Die Forschung sagt übrigens auch – in der für sie typischen nüchternen Sprache -, wie Bindungsstörungen zu vermeiden sind: Wenn eine mütterliche Person in den ersten Lebensjahren zur Verfügung steht und die Regungen des Kindes angemessen beantwortet. Das gewiß nicht reaktionäre Wochenblatt ‘Die Zeit’ legte kürzlich unter der Überschrift „Alleine zu zweit“ offen, welchem Streß sich alleinerziehende Berufstätige aussetzen, um Kind und Karriere halbwegs unter einen Hut zu bringen, und es war klar, daß dabei in der Regel beide – Erwachsener wie Kind – zu kurz kommen – Erfahrungen, die neuerdings auch in der Fachliteratur stärker beachtet werden.
Die Problematik elterlicher Überlastung reicht bis in die Pubertät. Ist das jüngste Kind erst einmal in der Schule, spätestens aber nach dem Wechsel etwa ins Gymnasium wird doppelverdient – oft nicht nur aus Hedonismus, sondern weil ein mehrköpfiges Leben auch einfach ziemlich teuer ist. Was schnell übersehen wird: Selbst wenn Heranwachsende immer früher selbständig wirken und es auch gerne sein wollen – sie brauchen uns auch mit 14 noch, wenn auch nicht so häufig und auf eine andere Weise als zur Kindergartenzeit. Es ist eben ein Unterschied, ob sie sich mittags nur mit Mikrowelle und Monitor unterhalten können oder ob sie zuhause jemand antreffen, der sich für ihre Erlebnisse interessiert – auch wenn sie gar nicht sofort davon erzählen mögen. Und es macht etwas aus, ob es niemand mitbekommt oder ob es einem auffällt, wenn sie mit dem Schwänzen liebäugeln. Es spielt auch eine Rolle, ob die Hausaufgaben hektisch und gereizt am Abendbrottisch kontrolliert oder am Nachmittag ruhig und beiläufig mitverfolgt werden. Und es bleibt nicht folgenlos, ob die Eltern nach Job, Einkaufen und Kochen abends endlich einmal ihre Ruhe haben wollen – oder ob wenigstens einer ein offenes Ohr für den Jugendlichen aufbringen kann – selbst wenn der es nicht dauernd in Anspruch nimmt.
Ohnehin stellt das schwierige Alter auch den Erwachsenen schwierige neue Aufgaben: Die jugendlichen Stimmungsschwankungen zu verstehen und damit umzugehen, angemessene Freiräume auszuloten und zuzugestehen, Kritik an der eigenen Lebensweise zuzulassen, Auseinandersetzungen zu suchen und auszuhalten. Wer das zwischen Tür und Angel abzuhandeln versucht, hat in der Regel schlechte Karten – und beschränkt seine Aufmerksamkeit womöglich auf negatives Verhalten, auf die ‘Störungen’.
Tatsächlich fühlt sich – einer neueren Umfrage zufolge – jedes dritte Kind von seinen Eltern unverstanden und nimmt an, ‘die’ hätten keine Ahnung davon, was in ihm vorgehe. Auch wenn Kinder und Jugendliche zu ‘funktionieren’ scheinen – wenn sie zuhause nicht randalieren, wenn keine ‘blauen Briefe’ aus der Schule kommen, wenn die Polizei nicht vorfährt – dies ist keine Garantie dafür, daß sie sich weitgehend wohl und sicher fühlen. Viele Eltern fallen jedenfalls aus allen Wolken, wenn sie erfahren, daß ihr Fünfzehnjähriger regelmäßig an irgendwelchen Satansriten teilnimmt – weil er sich nämlich jahrelang verdammt einsam gefühlt hat und hier nun plötzlich und scheinbar Gemeinsamkeit erlebt – oder daß ihre Vierzehnjährige seit einiger Zeit Haschisch raucht – weil sie nämlich meint, so Farbe in ihr unauffälliges Leben bringen zu können.
Ich formuliere ein erstes Fazit: Wir haben nicht verlernt, unsere Kinder zu lieben, sondern sie als Wesen ernst zu nehmen, die zum Erwachsenwerden auf einfühlsame und zugewandte Erwachsene angewiesen sind – aber dafür braucht man auch Zeit.
Von nichts kommt nichts – oder zumindest zuwenig
Der zweite Pol des Erziehungsdreiecks hat damit zu tun, wie wir auf die Auseinandersetzung des Kindes mit der Welt (man könnte auch sagen: auf sein Wachsen und Lernen) einwirken, Stichwort: Anregung. Auf diesem Gebiet stellt sich die Lage recht uneinheitlich dar. Daß junge Menschen überhaupt der gezielten Anregung bedürfen, ist keineswegs selbstverständlich, wie ein Blick in zahlreiche Kindergärten zeigt: Dort sind heute viele Kinder ebenso über- wie unterfordert – wenn die Erzieher sie nämlich zu sehr sich selbst überlassen. Dabei liegt die „strahlende Intelligenz von Fünfjährigen“, wie Freud sich ausdrückte, unnötig brach, wenn man diese eminent bildsame Lebenszeit nicht dazu nutzt, den geistigen Horizont auf breiter Front zu erweitern. Dies insbesondere bei Kindern aus bildungsferneren Schichten zu unterlassen, bedeutet letztlich nichts anderes als frühe Beihilfe zu unnötiger Selektion. Angeleitetes Malen oder inszenierte Naturbegegnungen, regelmäßiges Vorlesen oder auch behutsames Gewöhnen ans Aufräumen – das ist keineswegs fremdbestimmte Einengung von kindlicher Spontaneität, da werden vielmehr Wege gebahnt für zukünftige Künstler oder Forscher, Weltverbesserer oder Handwerker. Was spricht eigentlich dagegen, im Kindergarten nach Kräften zum „Weltwissen von Siebenjährigen“ – so kürzlich ein Bestsellertitel – beizutragen?
In Familien und Schulen hingegen, in denen Anregung keine Mangelware ist, erwachsen indes neue Gefahren. So machen wir vielen unserer Kinder zwar jede Menge Angebote – von den überquellenden Spielzeughalden in manchen Kinderzimmern über eine breite Palette von Nachmittagsterminen bis hin zur Fächervielfalt der Oberstufe – aber was fangen sie eigentlich mit dieser Fülle an? Und was tun wir, wenn ihnen ein neues Spielzeug nach kurzer Zeit keinen Spaß mehr macht, wenn sie keine Lust mehr auf Jazzdance haben, wenn sie das gewählte Neigungsfach nach der ersten verhauenen Klausur doof finden? Würde ‘Anregung’ in diesem Fall nicht vor allem bedeuten, daß wir dem Kind dabei behilflich sind, daß es bei einer Sache bleibt – indem wir es etwa bei aufgetretenen Schwierigkeiten unterstützen?
Oder Thema Lob: Zwar ist es mittlerweile eine pädagogische Binsenweisheit, daß man das Größerwerden und Mehrkönnen von Kindern würdigen sollte und sie nicht durch Kritik oder Ungeduld entmutigen darf. Aber muß man deshalb vor jedem normalen Fortschritt in überschwengliche Begeisterung verfallen? Und ist es wirklich förderlich, jeden Hinweis auf mögliche Verbesserungen verschämt zu verschlucken, um das Kind nur ja nicht zu frustrieren und sein Selbstwertgefühl nicht zu beschädigen? Die Sache mit dem Selbstwertgefühl ist ja ohnehin eine populäre Halbwahrheit, die neuerdings wieder kritischer gesehen wird. Man glaube nur nicht, daß es Kindern uneingeschränkt guttue, wenn man sie unbeschränkt Fehler machen läßt – sie geraten ja dadurch andern gegenüber in Rückstand und erleben die Erwachsenen als gleichgültig. Zudem stellt ein hohes Selbstwertgefühl auch keinen Eigenwert da – schließlich muß es keineswegs mit sinnvollen Zielsetzungen und anspruchsvollen Leistungen einhergehen (Bandenführer etwa sind ja in der Regel äußerst selbstbewußte Typen). Grundsätzliche Selbstüberschätzung gar kann richtig gefährlich werden – solche Menschen neigen in Belastungssituationen zu unerwarteten und aggressiven Ausbrüchen.
Und wie verträgt sich der Aspekt Anregung mit den flächendeckend in deutschen Kinder- und Jugendzimmern verbreiteten Fernsehgeräten (und Computern)? Natürlich gibt es auch sinnvolle Fernsehsendungen, aber im Kern ist die Auswirkung des stundenlangen Glotzens in Kindheit und Jugend doch eine zweifache: Passivität und Oberflächlichkeit einerseits, sowie Gewöhnung an Gewalt andererseits. Deshalb hat die Journalistin und Autorin Susanne Gaschke dafür plädiert, vor allem den sozial ohnehin schon benachteiligten Familien durch eine regelrechte Anti-TV-Kampagne die Risiken dieses Mediums klarzumachen. Jede Stunde ‘Glotze’, die man seinem Kind erspart, wäre für dieses jedenfalls ein großer Gewinn – und für einen selbst vielleicht auch. In dieser Zeit könnte das Kind spielen oder später lesen, oder man könnte mit ihm sprechen und gemeinsam etwas unternehmen – oder sich dafür interessieren, was es in der Schule Neues erfahren hat. Auch in dieser Hinsicht gehört Deutschland ja zur PISA-Nachhut: Nur etwa 40 Prozent der Mütter und Väter erkundigen sich hierzulande nach den Schulleistungen ihrer Kinder oder nehmen sich Zeit für persönliche Gespräche, in den Niederlanden tun dies immerhin etwa zwei Drittel, in Italien gar vier von fünf Elternpaaren.
In diesem Zusammenhang ist ein weiteres Detail aus der PISA-Studie aufschlußreich, daß nämlich deutsche Jugendliche im Hinblick auf ihre Leselust das absolute Schlußlicht im internationalen Vergleich bildeten. Unsere Kinder reizt es demnach besonders wenig, sich eine Geschichte Seite für Seite selbst zu erlesen, im Kopf dazu eigene Bilder entstehen zu lassen und diesen Vorgang zu genießen oder interessant oder spannend zu finden. Dabei gibt es hierzulande keineswegs zu wenige oder zu wenig gute Kinder- und Jugendbücher, und in vielen Vergleichsländern sind Fernsehen und Computer ähnlich verbreitet wie bei uns. Haben unsere Mütter – oder Väter, oder Großeltern – nur zu wenig vorgelesen, als die Kinder noch klein waren? Oder haben sie ihnen etwa schon von früh an zu viel abgenommen: das Warten auf die nächste Mahlzeit, das Gestalten freier Stunden, die kleine aber wichtige Mithilfe im Familienhaushalt, die zweite Hälfte der Hausaufgaben? Kurz gesagt: Haben sie sie vielleicht an etwas grundsätzlich Ungünstiges gewöhnt, nämlich an die Erwartung, man werde das Leben schon gemacht bekommen – anstatt es selbst zu machen?
Die Risiken der verwöhnenden Erziehung hat übrigens der Wiener Arzt und Psychologe Alfred Adler in seiner Individualpsychologie erstmalig detailliert beschrieben – und erst kürzlich erreichte ein Buch mit dem Titel „Die Verwöhnungsfalle“ wieder mehrere Auflagen. Die bereits erwähnte moderne Bindungsforschung liefert eindrückliche Beispiele dafür, wie früh solche Verwöhnung beginnen – und wie man sich ihr entziehen kann. Stellen Sie sich vor: Da versucht ein Kleinkind, bäuchlings über den Fußboden robbend an sein Plastikentchen zu gelangen. Mühsam kommt es voran, mit einer Mischung aus Stemmen, Schieben, Rutschen, manchmal gelingt eine Kriechbewegung; ab und zu bleibt es erschöpft liegen, vielleicht ein kurzes Weinen, dann doch wieder sich aufraffen, ein letzter energischer Ruck – geschafft! Wie viele Mütter würden dazu neigen, ihrem Kind diese Mühe abzunehmen – und damit auch die in der Belastung liegende Stärkung und den sie krönenden Erfolg?
Verwöhnung bedeutet eben weit mehr als die Überhäufung eines Kindes mit Süßigkeiten oder Streicheleinheiten. Verwöhnend verhalten sich Erzieher immer dann, wenn sie dem Kind Tätigkeiten abnehmen oder gar nicht erst zutrauen, die es selbst bewältigen – und daran wachsen könnte. Das betrifft auch die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen bei den Haushaltsarbeiten. Unser heutiges häusliches Komfortniveau ist für Heranwachsende zwar momentan angenehm, aber langfristig ungünstig: Sie gewöhnen sich an eine Haltung des Versorgtseins – und es entgeht ihnen das so wichtige Empfinden, von anderen gebraucht zu werden, für andere wichtig zu sein – übrigens ein viel tragenderes Gefühl als das, eine Pflicht erledigen zu müssen. Es würde nicht nur unserem Zeitbudget, sondern vor allem unseren Kindern guttun, wenn wir weniger verschämt von ihnen erwarten würden, daß sie sich im familiären Miteinander – oder auch in der Klassengemeinschaft – in altersgemäßer Weise nützlich machen – und das heißt mit 10 oder 15 keineswegs nur feigenblattartig.
Daß auch viele Lehrer von Verwöhnung ein mehrstrophiges Lied singen könnten, ist kein Geheimnis; etwa wenn sie
•in der Grundschule kurze Texte fotokopiert verteilen, die die Schüler auch von der Tafel oder vom Projektor abschreiben und dabei ihre Feinmotorik trainieren könnten
•Essen oder Trinken im Unterricht zulassen, auch wenn alle 45 Minuten Pause ist
•auf die Verbesserung von Klassenarbeiten verzichten
•nur wenig Hausaufgaben aufgeben, obwohl das Lernen doch der Beruf des jungen Menschen ist.
In Sachen Anregung ist mithin eine höchst zwiespältige Bilanz zu ziehen: Wachsenlassen alleine genügt nicht, Verwöhnung und Überbehütung bremst die kindliche Entwicklung aber auch – es sieht so aus, als brauchten viele unserer Kinder vor allem mehr gezielte Herausforderungen – in sachlicher ebenso wie in sozialer Hinsicht.
In diesem Zusammenhang verdient ein Begriff rehabilitiert zu werden, der im Pädagogischen zu Unrecht den Beigeschmack des Unanständigen angenommen hat: Leistung! Dabei wollen Heranwachsende durchaus etwas leisten und sich dafür anstrengen – wenn sie nur den Eindruck haben, daß es sich lohnt – und dieser Lohn kann ganz unterschiedlicher Natur sein: weil etwa das Lesenlernen für sie unmittelbar nützlich ist; weil die Eltern wissen wollen, was sie Neues gelernt haben; weil ein Lehrer, den sie schätzen, ihnen zutraut, quadratische Gleichungen zu lösen; weil sie etwa in Informatik kompetenter werden als andere; weil ihnen ohne Fremdsprache der Weg zum Traumberuf verbaut ist.
Lernfreude ist allerdings etwas sehr Empfindliches, das Lehrer wie Eltern allzu schnell dämpfen oder blockieren können: Wenn sie zuwenig Zeit oder Interesse für den ‘Beruf’ ihrer Kinder haben, oder wenn sie auf Fragen oder Schwierigkeiten mit Ärger oder Kritik reagieren. Aber auch wenn sie von kleinen Fortschritten in übertriebener Weise begeistert sind oder sich mit mangelhaften Leistungen zufrieden geben, z.B. einem eigentlich unlesbar geschriebenen Aufsatz, einem lustlos gemalten Bild oder einer vollkommen unübersichtlich notierten Rechenaufgabe. Besonders verhängnisvoll ist die Wahl einer weiterführenden Schule, die anhaltende Überforderung bedeutet. Dabei tun Kindern gute Noten und entsprechende Erfolgsgefühle an einer Haupt- oder Realschule viel besser, als jahrelang das ‘letzte Rad’ am Gymnasialwagen zu sein.
In dem Maße, indem die Zahl unserer Kinder zurückgeht, für die wir nur das Beste wollen, steigt unsere Neigung, ihnen auch den Weg dahin abzunehmen. Nur: Wer zuviel getragen wird, dessen Kräfte lassen ebenso nach wie seine Ansprüche an andere wachsen. Unnötige Entlastung, das bedeutet bei jungen Menschen ganz einfach Unterschätzung – und damit vermeidbare Schwächung. Will man Kindern also keine ihrer Möglichkeiten vorenthalten, will man wirklich Lebenstüchtigkeit hervorrufen, dann ist nicht Schongang angesagt, sondern Herausforderung: ihnen hin und wieder auch einen geeigneten Stein in den Weg legen, sie zu Neuem oder Besserem anregen, ihnen Anstrengungen zumuten, ihnen Bemühungen abverlangen.
Ein zweites Fazit könnte also lauten: Manche Erzieher haben verlernt, ihre anregende Funktion überhaupt anzunehmen, andere haben übersehen; daß man in Angeboten auch ertrinken kann, wieder andere haben sich nicht klar gemacht, wie wichtig Belastungen für eine optimale Entwicklung sind. Das lange Zeit euphorisch propagierte Ideal der Selbstentfaltung ist jedenfalls gründlich überstrapaziert worden und gehört relativiert – der begleitende Erwachsene wird auch im 21. Jahrhundert keineswegs überflüssig sein.
Selbstbestimmung ist ein gutes Ziel – aber oft kein günstiger Weg
Der derzeit meistdiskutierte Pol des Erziehungsdreiecks ist der der richtigen Anleitung. Daß es nichts Anstößiges ist, in Familien, Kindergartengruppen oder Schulklassen auf Regeln des Miteinanders zu pochen, hat sich zwar wieder herumgesprochen. Wie man aber dafür sorgt, daß Vereinbarungen, Anordnungen oder Verbote auch eingehalten werden, darüber besteht Konfusion, wohin man schaut. Wir tun uns schwer mit der Einsicht: Selbstbestimmung und freundliche Hinweise alleine genügen nicht, unsere Kinder brauchen mehr erzieherische Autorität.
Ich möchte diesen Anspruch an einigen Beispielen aus der Schule erläutern. Schüler sollen sich ja auch mit Sachverhalten auseinandersetzen, die sie derzeit vielleicht überhaupt nicht interessieren – weil dies bislang unbekannte Interessen bei ihnen anregen oder zu einem späteren Zeitpunkt für sie nützlich sein könnte. Hinzu kommt: Bei jedem Lernen stellen sich eine Reihe von Schwierigkeiten – schließlich vollzieht sich Wissenserwerb und Kompetenzzuwachs in der Regel nicht nur beiläufig, quasi von selbst, sondern vielfach auch und gerade nur gegen Widerstände: Die Schüler verstehen etwa einen Zusammenhang nicht. Oder können eine Handlung nicht sofort ausführen. Oder nicht so gut wie andere. Oder sie können den Lehrer nicht leiden. Lernen hat insofern viel mit starken Unsicherheitsgefühlen zu tun, mit der Befürchtung, etwas nicht schaffen zu können. Würden Lehrer nun darauf verzichten, zumal die labilen und mutlosen Schüler immer wieder auch ohne deren Lust, gelegentlich gar gegen ihren Willen, verständnisvoll aber quasi unerbittlich, an Belastungen und mögliche Mißerfolge heranzuführen und scheinbar bedrohliche Lernsituationen auszuhalten, so würden diese in ihrer Ängstlichkeit belassen oder gar bestärkt. Schulisches Lernen kann also gar nicht nur Spaß machen – aber gerade hierin liegt entwicklungspsychologisch betrachtet ein erhebliches Förderpotential:
•Erfahrungen des (Noch-)Nicht-Könnens muß das Kind nicht gekränkt und resignierend verbuchen, sondern kann sie konstruktiv verarbeiten – das wäre dann psychische Reifung.
•Misserfolgsängste kann es als unbegründet, Ausweichverhalten als unnötig erfahren – so käme es zu nachhaltiger Ermutigung.
So förderlich die Konfrontation mit Schwierigkeiten und Mißerfolgen für Heranwachsende auch ist, sie wird von diesen keineswegs immer angenehm erlebt: Was de facto eine Chance ist, mag zunächst als Plage empfunden werden. Gute Lehrer sind deshalb darauf gefasst, daß sie – wenn sie den Unterricht unmißverständlich leiten und Regelverstöße spürbar sanktionieren – auch Ablehnungsgefühle oder gar Wut auf sich ziehen. Und sie sind bestrebt, solche Entwertungsversuche der Schüler nicht zurückschlagend zu beantworten, sondern gelassen zu ihren Erwartungen zu stehen. Denn dadurch vermitteln sie den Heranwachsenden – über den Lernfortschritt hinaus – eine wichtige zwischenmenschliche Erfahrung: daß nämlich ihr Gegenüber auch in Konflikten verläßlich für sie bleibt.
So gesehen wäre der Ruf nach mehr Strenge im Klassenzimmer kein Plädoyer für Härte, Schroffheit oder Tortur, sondern lediglich gegen modische Unverbindlichkeit. Im Kern geht es ‘nur’ um die konsequente Anleitung und Unterstützung bei der Überwindung von Lernschwierigkeiten. Also darum, Lernprozesse mit all ihren Widrigkeiten besonnen (d.h. unbeirrt von den individuellen Affekten der Schüler) und selbstbewußt (d.h. im Wissen um das sachlich Gebotene) zu leiten. Dazu gehört auch, daß man sich nicht in Kämpfe mit rebellierenden oder auch nur ausweichend argumentierenden Jugendlichen verwickeln läßt, sondern eine Art humorvolle Distanz hält. Klar, aber cool – so könnte man die Devise zuspitzen.
Die Forderung nach mehr guter Autorität zu erheben, heißt ein weiteres ideologisiertes pädagogisches Ideal deutlich zu relativieren, das der Selbstbestimmung. Bemerkenswerterweise sind es die jungen Menschen selbst, die hierzulande in Umfragen das Bedürfnis artikulieren, ihre Eltern möchten „ruhig etwas strenger sein“. Und die in der Schule diejenigen Lehrer am meisten schätzen, die den Unterricht nicht nur interessant, verständlich und humorvoll, sondern eben auch „mit einer gewissen Strenge“ gestalten. Heranwachsende finden es also offenbar wichtig, dass Erzieher Regeln nicht nur aufstellen und erklären, sondern sie auch durchsetzen und – wenn nötig – Überschreitungen angemessen ahnden. Die Jugend selbst plädiert mithin für eine behutsame Rehabilitierung von Disziplin – oder gar Strafe.
Soweit ist es also gekommen, daß die jungen Bäumchen dem Gärtner sagen müssen, er solle sie vorübergehend und rindenschonend anbinden! Kein Wunder, schließlich hatte die pädagogische Debatte der letzten Jahrzehnte alles, was mit Zwang, Kontrolle oder äußeren Anforderungen zu tun hatte, ausgeblendet oder verteufelt – eine Art antifaschistischer Kurzschluß. Grenzen zu setzen war verpönt, auf Konflikte wurde verzichtet, Konkurrenzerleben und Enttäuschungen galt es zu vermeiden. Die Folgen waren bekanntlich nicht ganz nach Wunsch. „Narziß und Schmollmund“ nannte der Spiegel im vergangenen Jahr die typischen Vertreter der neuen Jugend – überaus selbstbezüglich, lange ziellos, schnell unzufrieden. Die pauschale Kritik der Disziplin müssen wir heute teuer bezahlen – mit den vielfältigen Opfern der Disziplinlosigkeit. Erziehung ohne Grenzen hat in der Regel eben nicht zu unbegrenzten Fähigkeiten geführt, sondern mündete allzuschnell in grenzenlose Gewalt.
In dieser Hinsicht steht Umkehr umso dringender an, als unsere Gesellschaft in weiten Teilen recht vaterlos (oder zumindest vaterarm) geworden ist. Damit sind nicht nur die vielen alleinerziehenden und mehrfachbelasteten Mütter gemeint, sondern auch die noch zahlreicheren verunsicherten Väter – und in einem übertragenen Sinne all’ die erzieherischen Einflußfaktoren, die man früher einmal väterlich nannte, und die etwas mit Grenzsetzungen, Entbehrungen und Herausforderungen zu tun haben. Dabei ist – die Beispiele haben es gezeigt – maßvolle erzieherische Strenge etwas, das Heranwachsenden hilft, eigene Stärke zu entwickeln! Pädagogische Strenge als Entwicklungshilfe – ein für viele heute ketzerischer, gleichwohl unbedingt zu aktualisierender Gedanke. Und er paßt so gut zur alten Hauptbedeutung des Wortes, die keineswegs anrüchig ist, sondern Eigenschaften wie stark, tapfer oder tatkräftig bezeichnet.
Auch der weithin geschätzte Hartmut von Hentig hat sich übrigens vor nicht allzulanger Zeit öffentlich zum Thema Strenge geäußert: Er finde „das Gerede von der notwendigen Strenge schlichtweg dumm“. Das war ein wenig mißverständlich für diejenigen, die von Hentig nur aus Reden und Schriften kennen. Dabei hat seine Schulpraxis immer deutlich werden lassen, daß er selbst Momente des Wohlwollens und des Anspruchs, aber eben auch der Disziplin in glücklicher Ausgewogenheit verkörperte. Insofern war es gut, daß ihm eine Kollegin in einem offenen Brief deutlich widersprach, ihr Kernsatz lautete: „Wer erzieht, ist mitunter unbequem – also auch schon ‘mal unbeliebt!“
Das ist es, was wir als Erzieher vielleicht am ehesten verlernt haben: Mit Gelassenheit gelegentlich unbeliebt zu sein bei den zu Erziehenden. Ein Großteil der 68er-Generation hat allen möglichen Autoritäten Widerstand geschworen, kann aber Kindern oft nur wenig entgegensetzen. Das ist es aber, was gute Eltern und gute Lehrer neben der liebevollen bzw. fachlichen Zugewandtheit auch besitzen müßten: eine gewisse Unabhängigkeit von den lieben Kleinen und Großen. Gut Freund sein mit Kindern, das ist eine schöne Seite der pädagogischen Medaille – ihr standfestes Gegenüber bleiben aber die wichtige andere. Erst aus dieser Ambivalenz können Tugenden erwachsen.
Das pädagogische Lagerdenken überwinden
Haben wir also auf breiter Front verlernt zu erziehen? Wir haben gesehen, daß die Antwort vielfältige Facetten besitzt. Wenn Sie sich nur zwei Dinge heute abend merken wollen, dann vielleicht diese: Wir tun uns einerseits nicht leicht damit, wirkliche Nähe zu unseren Kindern herzustellen, also mitzubekommen wie es ihnen tatsächlich geht. Und noch viel schwerer fällt es uns, einen Gegensatz zu ihnen ruhig auszuhalten, also ihren Ärger oder ihr Wehklagen. Wer aber gerne ein wenig mehr mitnehmen möchte, dessen Resümee könnte sein: In dreifacher Hinsicht sollten wir unseren Umgang mit Kindern und Jugendlichen neu akzentuieren: Mehr Aufmerksamkeit! Mehr Herausforderungen! Mehr Autorität! Diese Formel sollte nicht als Plädoyer für eine neue „Durchgriffsmentalität“ verstanden werden. Sie ist allerdings eine entschiedene Absage an pseudomoderne „Identifizierungsgesinnung“, diese historisch verständliche, mittlerweile aber überholte, und heute geradezu gefährliche Überreaktion auf pädagogische Ideologien aus Kaiserzeit und Nazistaat.
Nicht nur die Schwarze Pädagogik hat sich an vielen Kindern vergangen, indem sie deren Individualität nicht respektierte und deren Willen zu brechen suchte. Auch viele Auswüchse der Reformpädagogik haben der Jugend nicht gut getan: Erwachsene haben sich aus der Erziehung zu sehr zurückgezogen und die Jugend damit fragwürdigen Kräften in peer-group und Medienwelt ausgeliefert. Wer zu früh allein gelassen wird, ist aber schlichtweg überfordert. Und genau das ist die heikle Grundbefindlichkeit vieler Heranwachsender heute: Sie fühlen sich einsam, ohne Ziel, nicht gebraucht. Projekte aller Art – in der Schule, in der Jugendarbeit – können diese Grundstimmung punktuell übertünchen, nicht aber grundsätzlich beheben. Drogen aller Art präsentieren sich genau hier als Scheinlösung – und haben eben deshalb Hochkonjunktur. ‘Verweigerte Erziehung’ hat eben unweigerlich Folgen. Die Spitze dieses Eisbergs haben uns Pisa und Erfurt gezeigt.
Die Zeit drängt also, aus Hitlers langem Schatten über der Pädagogik herauszutreten. Und dabei steht weitaus mehr als nur unser pädagogisches Eros auf dem Spiel: Erstens geht es keineswegs nur darum, daß unsere Kinder und Jugendlichen heute zufriedener sein und bessere Noten oder Arbeitsplätze bekommen können. Sie sollen auch uns zur Seite stehen können, wenn wir einmal hilfsbedürftig geworden sind, sei es durch ihre Sozialversicherungsbeiträge, sei es durch pflegende Betreuung. Eine Generation aber, die etwa nicht gelernt hätte sich anzustrengen, würde ihre gealterten oder gebrechlichen Vorfahren nur ungerne lange durchfüttern wollen, ob nun die eigenen Eltern zu Hause oder fremde alte Menschen im Krankenhaus. Zweitens ist uns vermutlich auch der Fortbestand demokratischer Zustände in unserem Land nicht gleichgültig: Ein freiheitlicher Rechtsstaat kann aber nur bestehen, wenn seine Mitglieder gelernt haben, vernünftige Regeln zu akzeptieren, auch wenn sie ihnen einmal nicht in den privaten Kram passen.
Sie werden es gemerkt haben: Worüber ich heute zu Ihnen gesprochen habe, das war auch der Versuch, das Lagerdenken zwischen vermeintlich altbackener und angeblich moderner Erziehung zu überwinden – antiautoritäre Verwahrlosung also zu vermeiden, ohne in autoritäre Härte zurückzufallen. Man könnte das vielleicht als den dritten Weg in der Pädagogik bezeichnen. Ich danke Ihnen, daß Sie mir so aufmerksam auf diesem gefolgt sind.
Literaturhinweise:
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Ahrbeck, Bernd: Konflikt und Vermeidung. Psychoanalytische Überlegungen zu aktuellen Erziehungsfragen. Neuwied 1997
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Bröckelmann, Wilfried und Felten, Michael: „Sind Sie streng?“ Zum Wandel von Abstand und Differenz in pädagogischen Beziehungen. In: Pädagogik, Heft 11/2002, S. 23-26
Elschenbroich, Donata (Hrsg.): Anleitung zur Neugier. Grundlagen japanischer Erziehung. Frankfurt 1996
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Frech-Becker, Cornelia: Fördern heißt Fordern. Frankfurt 1995
Gaschke, Susanne: Die Erziehungskatastrophe. Kinder brauchen starke Eltern. München 2001
Giesecke, Hermann: Pädagogische Illusionen. Lehren aus 30 Jahren Bildungspolitik. Stuttgart 1998
Giesecke, Hermann: Wozu ist die Schule da? Die neue Rolle von Eltern und Lehrern. Stuttgart 1996
Ladenthin, Volker: Vorläufige Bemerkungen zur Schuldisziplin. In: Engagement, Heft 1/2002, S. 25 – 30
Myhre, Reidar: Autorität und Freiheit in der Erziehung. Stuttgart 1991
Rehfuß, Wulff D.: Bildungsnot. Hat die Pädagogik versagt? Die Fehler von gestern und die Aufgaben von morgen. Stuttgart 1996, 2. Auflage 1997
Schwarz, Bernd und Prange, Klaus (Hrsg.): Schlechte Lehrer/innen. Weinheim 1997
Wunsch, Albert: Die Verwöhnungsfalle. München 1999
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Ziehe, Thomas: Schule und Jugend – ein Differenzverhältnis. In: Neue Sammlung, Heft4/1999, S. 619-629
“Wie konnte ich vergessen, dass ich ein Königskind bin?”
Zum Referenten: Dr. Heinrich Dickerhoff Präsident der Europäischen Märchengesellschaft, Cloppenburg
„Wir Menschen sind die einzigen Lebewesen auf dieser Erde, die mit offenen Fragen leben. Wozu bin ich da? Was bleibt von mir und von denen, die mir lieb sind? Weil uns unser Leben nicht selbstverständlich ist, darum müssen wir Antworten entwerfen auf die großen Fragen, die uns weder die Natur noch unser logisches Denken beantworten können.
Religion wie Kunst zeigen solche Sinn-Entwürfe. Mir ist die christliche Glaubenstradition der entscheidende Lebens-Schlüssel, aber wichtig ist mir auch die zu Märchen verdichtete Lebensweisheit. Und Evangelium wie Märchen fordern uns heraus, Lebens-Künstler zu werden, unserer Sehnsucht mehr zu glauben als unserer Verzweiflung. Du bist erwünscht, sagen sie, du wirst erwartet. Also geh!“ (H. Dickerhoff)
Dr. Heinrich Dickerhoff
Am 12. Dezember 2002 fand in der Aula des Gymnasiums Leoninum Handrup das 12. „Handruper Forum“ statt, welches sich diesmal allerdings in einer ganz außergewöhnlichen Weise ereignete.
Mit Herrn Dr. Heinrich Dickerhoff, dem Präsidenten der Europäischen Märchengesellschaft, konnte ein Referent gefunden werden, der die zahlreichen Zuhörer mit einer beeindruckenden Auswahl von Märchen Perspektiven für ein gelingendes Miteinander der Generationen im Erziehungsprozess veranschaulichen konnte. Mit seinem „Programm“ „Wie konnte ich vergessen, dass ich ein Königskind bin?“ – Wie Märchen uns erinnern an das richtige Leben versetzte Dr. Dickerhoff die Besucher in die Welt der Märchen, in der oftmals Unausgesprochenes auf einfache und anschauliche Weise zum Ausdruck gebracht werden kann.
Auf unkonventionelle Art und oft mit einer Harfe untermalend verstand es Dr. Dickerhoff, sein Publikum zu fesseln, zu begeistern und der Suche nach dem eigenen “Ich” und “Wir” neue Impulse zu geben. Seine bildhafte Vortragsweise vermittelte anschaulich Glaubensinhalte und regte zum Nachdenken über sich selbst und die Beziehungen zu den Mitmenschen an. Beispielhaft zeigte er auf, was Märchen vom Wesen und Weg der Menschen erzählen, wie die Gute Nachricht in und mit Märchen zu entdecken ist.
In der adventlich dekorierten Aula des Gymnasiums Leoninum in Handrup tauchten die Besucher in eine Welt der leisen Farben ein, um voller Spannung zuzuhören und Anregungen für das familiäre Miteinander herauszufiltern.
Stellvertretend für seine eindrucksvolle Auswahl an Märchen aus aller Welt drucken wir das chinesische Rosenmärchen „Die blaue Rose“ ab, in dem deutlich wird, dass die Liebe über allem steht:
Die blaue Rose
(Chinesisches Rosenmärchen)
Der Kaiser von China hatte eine Tochter, die war schön und sehr klug – und sehr, sehr eigenwillig: was sie nicht wollte, das wollte sie nicht. Und heiraten, heiraten wollte sie ganz gewiß nicht. Am Hof und im ganzen Reich wurde darüber schon getuschelt: “Sie nimmt keinen Mann. Sie will keinen Mann! Was mag da nur los sein? Ist sie zu stolz? Oder kann sie nicht lieben? Oder ist sie am Ende gar verhext?”
Ihr Vater, der Kaiser, drängte sie darum jeden Tag, doch einen Ehemann zu nehmen, und endlich sagte sie: “Also gut, ich werde heiraten – aber nur den, der mir eine blaue Rose bringt”.
Da rief der Kaiser alle großen und wichtigen Männer des Reiches in seinen Palast, und sagte, derjenige solle seine einzige Tochter zur Frau bekommen, der ihr eine blaue Rose bringe.
“Eine blaue Rose? Eine blaue Rose! Hat man davon je gehört?!” Die Freier murmelten und murrten und machten sich davon. Und nur drei blieben übrig:
der erste ein großer Kriegsheld,
der zweite ein reicher Kaufmann,
der dritte ein Gelehrter, bewandert in allen Wissenschaften und in der schwarzen Kunst der Hexerei.
Und die versprachen nun alle drei, in dreißig Tagen zurückzukommen mit einer blauen Rose.
Der Kriegsheld rüstete sich und zog mit hundert Kampfgefährten gegen ein benachbartes Königreich, das war berühmt für seine Schätze. Und dem König des Reiches ließ er sagen:
“Ich werde dich vom Thron stürzen und dein Reich zerstören, wenn du mir
nicht eine blaue Rose bringst!” Der König erschrak, und mit ihm sein Reich,
und seine Diener und Ratgeber überlegten hin und her, bis endlich einer in einer Schatzkammer einen großen blauen Edelstein fand, einen gewaltigen Saphir. Den brachte man zu einem Edelsteinschleifer, der schnitt daraus eine blaue Rose, die gab man dem fremden Krieger, und der zog zufrieden ab.
Der Kaufmann durchforschte all seine Lager und Speicher und ließ auf allen Märkten im Inland und Ausland fragen, ob eine blaue Rose zu kaufen wäre – aber sie war für Geld nicht zu haben. Da erstand er für ein Vermögen eine Schale aus Porzellan, zart wie ein Posenblatt,
und vom besten und teuersten Maler des Reiches ließ er da hinein eine blaue Rose malen.
Der Gelehrte ging in sein Haus, schloß sich ein in der innersten Kammer, schlug nach in den uralten Büchern, fand die geheime Formel, mischte seltsame Kräuter und Pulver, kochte daraus einen blauen Sud, stellte eine weiße Rose hinein – und die weiße Rose färbte sich blau!
Nach dreißig Tagen kamen die drei zum kaiserlichen Palast; verneigten sich vor dem Kaiser und vor seiner Tochter, dann trat der Krieger vor und gab der Prinzessin die Edelsteinrose.
“Das ist keine blaue Rose,” sagte die Prinzesssin, “das ist ein Saphir,
und davon hab ich mehr als genug.”
Da trat der Kaufmann vor und reichte ihr die Rose aus Porzellan.
“Wie schön, wie wunderschön,” sagte die Prinzessin.
“Sollte ich jemals wirklich eine blaue Rose bekommen, so will ich sie nur in diese Vase stellen.”
Da trat der Gelehrte vor und gab ihr die Zauberrose. Die Prinzessin nahm sie, besah sie von allen Seiten, ging damit zum geöffneten Fenster – da flog ein Schmetterling herein, setzte sich auf die Rose und fiel im Augenblick wie tot zu Boden. “Das ist keine blaue Rose”, rief die Prinzessin, “das ist Gift und Betrug und Hexerei!”
Am Abend dieses Tages ging sie durch den Garten des kaiserlichen Palastes. Da hörte sie von jenseits der Mauer eine wunderschöne Melodie, und jemand sang dazu von der Schönheit und von der Liebe und von der Sehnsucht. Sie stieg auf einen Gartenstuhl, schaute über die Mauer und erblickte einen jungen Spielmann.
“Wie schön ist dein Lied, Fremder,” sagte sie.
„Viel schöner ist dein Gesicht, Fremde,” sagte er.
Und die Luft war süß und der Mond schien wie Silber und sie blieben sich nicht lange fremd, denn ihre Herzen fanden zueinander.
“Du bist der erste Mann, den ich lieben kann,” sagte die Tochter des Kaisers, “doch ich kann dich nicht heiraten,
denn ich habe erklärt, ich würde nur den zum Mann nehmen, der mir eine blaue Rose bringt.
Und das Wort der Tochter des Kaisers ist wie ein Gesetz.”
“Ach, wenn es mehr nicht ist!”, sagte der Spielmann, “morgen früh komm ich zu dir in den Palast mit einer blauen Rose.”
Am andern Morgen ging der Spielmann zum Palast, und unterwegs pflückte er am Straßenrand eine weiße Rose.
Und er trat vor den Kaiser und seine Tochter, verneigte sich und gab der Prinzessin die Blume, die er in der Hand hielt. Die nahm die Blume und sah den Spielmann an und sagte, ja, genau so eine blaue Rose habe sie sich immer gewünscht. Und weil das Wort der Tochter des Kaisers wie ein Gesetz ist, darum sagte ihr Vater:
“Sie hat es gesagt, die Rose ist blau, und damit wird sie jetzt deine Frau!” Und sie heirateten und wurden sehr glücklich und bekamen viele Kinder.
Und im Garten ihres Palastes blühten tausende weiße Rosen, aber sie nannten ihn nur – unsern blauen Garten.
Zum Referenten:
Prof. Dr. Ludwig Hagemann
Lehrstuhl für Systematische Theologie und
Religionsgeschichte an der Universität Mannheim
(Zu diesem Abend existieren nur mehr Manuskripttexte)
Begrüßung durch P. Dr. H. Wilmer SCJ, Schulleiter
Sehr geehrte Damen und Herren!
Sehr geehrte Eltern!
Liebe Schülerinnen und Schüler!
Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Mitbrüder!
Seit einigen Jahren ist das „Handruper Forum“ eine feste Größe im Schulalltag des Gymnasiums Leoninum. Ziel ist es, Schüler, Eltern, Lehrer und Öffentlichkeit zu einer aktuellen und relevanten Thematik ins Gespräch zu bringen.
Für die diesjährige Winterveranstaltung haben wir ein politisch-religionswissenschaftliches Thema gewählt und für heute Abend Herrn Professor Dr. Ludwig Hagemann gewinnen können. Professor Hagemann ist Ordinarius für Systematische Theologie und Religionsgeschichte an der Universität Mannheim. Er stammt gebürtig aus Niederlangen im Emsland und studierte nach dem Abitur in Meppen Philosophie und Theologie, Arabistik und Islamwissenschaft in Frankfurt, Tübingen, Münster, Beirut und Kairo. Zwischen seinem ersten Buch „Der Koran in Verständnis und Kritik bei Nikolaus von Kues“ und seinem jüngst erschienen Werk „Christentum contra Islam – Eine Geschichte gescheiterter Beziehungen“ gab es zahlreiche Veröffentlichen, die zum Teil auch in mehrere Sprachen übersetzt worden sind.
Herr Professor Dr. Hagemann, wir sind froh und stolz, dass Sie unserer Einladung gefolgt sind und ich heiße Sie hiermit sehr herzlich willkommen.
Ebenfalls begrüße ich die Herren Stadt- und Samtgemeindedirektoren sowie die Bürgermeister des Einzugsgebietes der Schule. In diesem Zusammenhang heiße ich die Bürgermeister unserer Samtgemeinde Lengerich herzlich willkommen. Stellvertretend für sie begrüße ich unseren Bürgermeister aus Handrup, Herrn Josef Stockel.
Mein Willkommensgruß gilt den Abgeordneten aus dem Kreistag, aus dem Landtag und aus dem Bundestag. Ich freue mich über die Anwesenheit unseres ehemaligen Dezernenten der Bezirksregierung Weser Ems, Herrn Claus Lanfermann. Die Mitglieder des Rotary-Clubs Lingen heiße ich ebenfalls herzlich willkommen.
Herzlich begrüße ich auch den Rektor des Herz-Jesu-Klosters, Pater Johannes Strieker, die Dechanten und Pastöre aus den umliegenden Pfarreien, sowie die Schwestern und Mitbrüder. Besonders freut es mich, in diesem Zusammenhang auch unsere muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zu begrüßen, mit denen uns der Glaube an den einen Gott, den Schöpfer und Erhalter der Welt, vereint.
Willkommen heiße ich alle Eltern, die Ehemaligen unserer Schule, alle Schülerinnen und Schüler, Kolleginnen und Kollegen sowie die Vertreter der Presse. Stellvertretend für die Presse begrüße ich Herrn Willy Rave sehr herzlich.
Zu danken habe ich seinem Sohn, Herrn Hermann-Josef Rave, Lehrer für Englisch und katholische Religion am Gymnasium Leoninum. Sie, Herr Rave, hatten die Idee und stellten die Kontakte zu Herrn Professor Hagemann her. Für Ihre Vermittlertätigkeit herzlichen Dank!
An dieser Stelle möchte ich einem weiteren Kollegen sehr herzlich danken, der sich seit langem mit großem Einsatz für ein regelmäßiges Zustandekommen des Handruper Forums engagiert hat, nämlich Herrn Studiendirektor Paul Wöste. Herzlichen Dank für die Mühe!
Herr Professor Hagemann, wir haben uns nach dem 11. September in Handrup bewusst für dieses Thema entschieden, weil wird der Überzeugung sind, dass wir erst dann einander Nächste werden, wenn wir bereit sind, die Straße zu überqueren, aufeinander zuzugehen. Es gibt zu viele Trennungslinien zwischen linkem und rechtem Straßenrand: zwischen schwarzen und weißen Menschen, zwischen Jungen und Alten, Kranken und Gesunden, zwischen Menschen in Südamerika und Menschen in Europa, zwischen Juden und Heiden, Muslimen und Christen. Es gibt viele Straßen und Trennungslinien, die überquert werden müssen. Wir sind viel mit uns beschäftigt und sehen nicht bis zum anderen Straßenrand. Wir haben unsere eigenen Leute, zu denen wir gehen und unsere eigenen Angelegenheiten, um die wir uns kümmern. Dieser Abend soll dazu dienen, die Straße zu überqueren, den Blick hoch zu nehmen und danach zu schauen, was auf der anderen Seite passiert, damit wir einander Nächste werden.
Uns allen wünschen ich zum Vortrag „Was der Westen über den Islam lernen muss“ einen anregenden Abend, Herr Professor Hagemann, Sie haben das Wort.
Prof. Dr. Ludwig Hagemann
Vortrag Prof. Dr. Ludwig Hagemann
„Der Islam – Was der Westen lernen muss“
Gliederung des Vortrags:
1. Die Idee der Einheit als Fundament des Islam
a) Die Religion als staatstragende Kraft
b) Ein Gott – eine Religion – eine Gesellschaft
2. Das zentrale Glaubensbekenntnis
a) „Es gibt keine Gottheit außer Gott“
•Zur religiösen Situation auf der arabischen Halbinsel im 7. Jahrhundert n. Chr.
•Wider den altarabischen Polytheismus
•Widerstand gegen Juden und Christen
•Gottes Transzendenz und Immanenz
b) „ … und Muhammad ist sein Gesandter“
•Charisma und Macht
•“Siegel der Propheten“ (Koran 33,40)
3. Der Koran: Gottes letztes Wort
•Inlibration: Buchwerdung von Gottes Wort
•Die „Entwestlichung des Wissens“
4. „Dir sind wir ergeben“
Vortragstext:
1. Die Idee der Einheit als Fundament des Islam
a) Die Religion als staatstragende Kraft
„Nur unwissende Frömmler“, so predigte einst Ayatollah Khomeiny vor dem Hadjdj, der alljährlichen Wallfahrt nach Mekka, „nur unwissende Frömmler sehen im Hadjdj eine Zeit des Gebetes und der frommen Riten. Nur diese meinen, der politische Kampf gegen Frevler und Tyrannen entweiht das Gotteshaus“ (1). Damit hatte Khomeiny etwas ausgesprochen, was für den Islam von seinem Ursprung, seinem Selbstverständnis und Anspruch her typisch ist: die innere Verflechtung von Religion und Politik mit ihren Auswirkungen auf Tagespolitik, Lebensordnung und Lebensgestaltung(2). Religion ist also nie Privatsache, vielmehr Politik tragende und sie inspirierende Kraft. Sie prägt nicht nur das Individuum, sondern auch die Gesellschaft, sie ist staatstragende Kraft. Der Islam als die Religion der bedingungslosen Hingabe an Gott, der vorbehaltlosen, totalen Unterwerfung unter seinen Willen, – das sagt ja das Wort „Islam“ – der Islam beansprucht nämlich, den ganzen Menschen in allen Bereichen seines Lebens zu erfassen und durch Vorschriften und Verhaltensmuster zu regeln. Die islamische Lebensordnung beinhaltet nicht nur verbindliche Glaubenssätze, sondern ebenso sittliche Gebote und Verbote als Norm des Handelns, ferner das Leben des Einzelnen, der Familie und der Gemeinschaft normierende Weisungen sowie die verschiedenen Bereiche des gesellschaftlichen Lebens und der internationalen Beziehungen regelnde gesetzliche Bestimmungen. Allen diesen Vorschriften hat sich der Mensch in unbedingtem Gehorsam gegenüber dem souveränen Willen Gottes zu unterwerfen, sie als gottgewollte Normen und Verpflichtungen anzunehmen und zu erfüllen. Denn: „Gott sagt die Wahrheit, und Er führt den (rechten) Weg“ (Koran 33,4)(3). Er ist der sicherste Garant für die beste Rechtleitung der Gläubigen.
b) Ein Gott – eine Religion – eine Gesellschaft
Die Idee der Einheit als Fundament des Islam spiegelt sich in der offenbarungstheologischen Konzeption des Korans wider. Alle Propheten, so die Auffassung, verkünden grundsätzlich ein und dieselbe Botschaft: „Es gibt keinen Gott außer mir. Dienet mir!“ (Koran 21,25)(4). Diese Botschaft richtet sich an alle Völker ohne Ausnahme, denn zu jedem Volk hat Gott Propheten gesandt (Koran 16,36). Die zu allen Zeiten in sich identische Botschaft der Propheten hat ihren Grund in der Einheit und Einzigkeit Gottes. Weil Gott einer ist, kann es nur eine einzige Offenbarung geben, deren Selbigkeit Gott garantiert. Ihrerseits steht sie ganz im Dienst an der Einheit der Menschheitsfamilie. Ursprünglich waren die Menschen nämlich eine im Glauben und im Gehorsam geeinte Gemeinschaft. Aber im Laufe der Zeit hat sich diese Menschheitsgemeinschaft aufgrund des Unglaubens der späteren Generationen in verschiedene Gruppierungen und Parteiungen zerspalten. Aufgabe der Propheten ist es nun, zu dieser ursprünglichen Einheit zurückzuführen: Einheit Gottes – Einheit der Religion – Einheit der Gesellschaft. Diesem Anliegen dienten Mose, der Verkünder der Thora, und Jesus, der Verkünder des Evangeliums. Dementsprechend sah Muhammad seine Botschaft in Kontinuität stehen mit eben diesen früheren Offenbarungsschriften Thora und Evangelium (Koran 6,92; 3,84). Die Einheit der göttlichen Offenbarung wird durch die Vielheit der Offenbarungsschriften – Thora, Evangelium, Koran – nicht gefährdet oder geschmälert, sondern durch ihre inhaltliche Identität nachdrücklich bestätigt. Weil Gottes Offenbarung grundsätzlich immer ein und dieselbe ist, gibt es letztlich auch nur eine sich auf verschiedenste Weise explizierende Religion. Diese Einheit der Religion gilt es zu wahren: „Er hat euch als Religion verordnet, was Noah aufgetragen hat, und was Wir dir offenbart haben, und was Wir Abraham, Mose und Jesus aufgetragen haben: Haltet die (Bestimmungen der) Religion ein und bringt keine Spaltungen hinein …“ (Koran 42,13). Denn – so heißt es im Koran: „Gott ist unser und euer Herr“ (Koran 42,15) und: „Unser Gott und euer Gott ist einer“ (Koran 29,46).
2. Das zentrale Glaubensbekenntnis
a) „Es gibt keine Gottheit außer Gott …“
Die Mitte, das Herz des Islams, ist der Glaube an Gott: „Ich bezeuge: Es gibt keine Gottheit außer Gott …“, so lautet der erste Teil des islamischen Glaubensbekenntnisses.
Von Gottes Einheit und Einzigkeit Zeugnis abzulegen, gehört zu den Grundpflichten eines Muslims. Dieses Glaubenszeugnis ist ein Widerhall von Gottes Zeugnis selbst: „Gott bezeugt, daß es keinen Gott gibt außer Ihm“, heißt es in Koran 3,18. Gott selbst steht also ein für die Wahrheit des monotheistischen Glaubens. Festgeschrieben im Koran, dem hl. Buch der Muslime, begleitet diese Wahrheit die Muslime durch ihr ganzes Leben, beginnend mit der Geburt, wenn dem Neugeborenen diese Wahrheit ins Ohr geflüstert wird, bis hin zum Tod, wenn der Sterbende zum letzten Mal diese Wahrheit auszusprechen in der Lage ist.
• Zur religiösen Situation auf der arabischen Halbinsel im 7. Jahrhundert n. Chr.
Dieser Glaube an den einen und einzigen Gott ist das Ergebnis einer allmählichen Entwicklung innerhalb der Lebensgeschichte des arabischen Propheten Muhammad(5). Um 570 n. Chr. in Mekka im heutigen Saudi-Arabien geboren, wuchs Muhammad in einem polytheistischen Milieu auf. Die religiöse Situation auf der arabischen Halbinsel war zu seiner Zeit vornehmlich von folgenden Faktoren beeinflusst:
– Da war zunächst die altarabische Religion mit ihrer Götter-, Ideen- und Vorstellungswelt, die das tägliche Leben prägte: Im Wesentlichen handelte es sich um Lokalnumina (Lokalgottheiten); al-Lât, Manât und al-cUzzâ, die auch im Koran erwähnt sind (53,19-20), sind als weibliche Gottheiten neben Hubal als männlichem Stammes- oder Stadtgott in Mekka die bekanntesten. Mittelpunkt des religiösen Lebens in Mekka war die Kacba, die als Sitz der Gottheiten galt. An der Spitze dieses altarabischen Polytheismus stand eine Art „Hochgott“, Allâh (al-ilah); dass er den Arabern schon vor Muhammads Verkündigung bekannt war, erhellt aus dem Koran: „Und wenn du sie (die Ungläubigen) fragst, wer die Himmel und die Erde erschaffen und die Sonne und den Mond dienstbar gemacht hat, sagen sie bestimmt: ‘Gott’ [Allâh] … Und wenn du sie fragst, wer Wasser vom Himmel herabkommen läßt und die Erde damit nach ihrem Absterben belebt, sagen sie bestimmt: ‘Gott’ [Allâh] … Wenn sie in ein Schiff einsteigen, rufen sie Gott [Allâh] an, wobei sie Ihm gegenüber aufrichtig in der Religion sind. Kaum hat Er sie ans Land errettet, da gesellen sie (Ihm wieder andere) bei …“ (Koran 29,61-65). Koran 12,106 formuliert kurz und präzise: „Und die meisten von ihnen glauben nicht an Gott [Allâh], ohne (Ihm andere) beizugesellen.“ Daraus lässt sich schließen, dass sich der Glaube an Allâh als höchsten Gott weithin durchgesetzt hatte. Aber wie die Hochgötter anderer Religionen war Allâh in weite Ferne entrückt und spielte immer weniger eine bestimmende Rolle im täglichen Leben. Dafür waren gleichsam die alten Lokal- und Stammesgottheiten zuständig.
– Daneben gab es aber auch noch andere religiöse Einflüsse, die im Koran ihre Spuren hinterlassen haben. Die im vorislamischen Zentralarabien bestehenden jüdischen Siedlungen – in Medina machten die Juden etwa die Hälfte der Einwohnerschaft aus – hatten bereits eine lange Geschichte hinter sich, so dass jüdisches Gedankengut zwangsläufig auf die damalige Umwelt Einfluss nehmen musste(6).
– Als dritter Faktor sind die Christen zu nennen – Monophysiten, Nestorianer, Sektierer , die mit ihren Glaubensvorstellungen nicht ohne Wirkung auf den Koran geblieben sind.
So hat vor allem also religiöses Gedankengut von Palästina, Syrien und Irak aus bei der grenznahen arabischen Bevölkerung Eingang und Anklang gefunden und ist von dort immer weiter, jedoch mit abnehmender Intensität, nach Innerarabien durchgesickert. Im Großen und Ganzen handelt es sich dabei um Ideen und Vorstellungen christlicher und jüdischer Herkunft.
•Wider den altarabischen Polytheismus
Parallel zu der ständig verfochtenen Behauptung, es gebe nur einen Gott, verwarf Muhammad die Vorstellung von der Teilhaberschaft Gottes, d.h. Gott andere Nebengötter beizugesellen (shirk). Diejenigen, die Gott Teilhaber zuschrieben („beigesellen“), wurden als mushrikûn bezeichnet, als Ungläubige; sie – so heißt es – begehen eine unverzeihliche Sünde. „Gott vergibt nicht, daß Ihm beigesellt wird, und Er vergibt, was darunter liegt, wem Er will. Und wer Gott (andere) beigesellt, hat eine gewaltige Sünde erdichtet“ (Koran 4,48).
Die Vorstellungen der Polytheisten, ihre Idole und Götzen, sind immer wieder Zielscheibe der Kritik Muhammads. Darüber hinaus ging er aber auch gegen das christliche Trinitätsverständnis vor. Ich will den Zusammenhang kurz erläutern.
•Widerstand gegen Juden und Christen
Enttäuscht darüber, dass weder Juden noch Christen seine unerschütterliche Überzeugung von der inhaltlichen Identität aller Offenbarungsreligionen akzeptierten und zum Islam konvertierten, änderte Muhammad seine Haltung gegenüber den „Schriftbesitzern“
(ahl al-kitâb). Verschiedene Einwände erhob er gegen sie:
(1) Der Vorwurf der Schriftverfälschung: tahrîf. Muhammad selbst hat Juden und Christen vorgeworfen, den ursprünglich von ihnen richtig erfassten Sinn der Schrift (Thora, Evangelium) entstellt zu haben: „Erhofft ihr etwa, dass sie (die Juden) mit euch glauben, wo doch ein Teil von ihnen das Wort Gottes hörte, es aber dann wissentlich entstellte, nachdem er es verstanden hatte?“ (Koran 2,75; 4,46; 5,41 u.ö.). Ferner: „Und von denen, die sagen: ‘Wir sind Christen’, nahmen Wir ihre Verpflichtung entgegen. Sie vergaßen einen Teil von dem, womit sie ermahnt worden waren“ (Koran 5,14). Über die Bedeutung des koranischen Begriffs „tahrîf“ gehen die Meinungen auseinander. „Tahrîf“ – zunächst gegen die Juden erhoben – entstammt einer Wurzel, die „biegen“ bedeutet und bezeichnet wahrscheinlich eine falsche Interpretation des Textes, ein Drehen und Wenden seines Sinns zum eigenen Vorteil. Die muslimischen Theologen sind sich in ihrer Beurteilung nicht einig: Einige verstehen tahrîf im Sinne der Fehlinterpretation biblischer Texte, andere vermuteten nicht nur Sinnentstellung, sondern textliche Veränderungen.
Die zunächst zurückhaltende Kritik Muhammads an den Christen spitzte sich mit der Zeit immer mehr zu. Diese Verschärfung der antichristlichen Position resultierte einmal aus der fortschreitenden Präzisierung seiner eigenen Botschaft, zum anderen aus dem Expansionsdrang zum byzantinischen Norden.
– Jesus ist nicht der Sohn Gottes
„O ihr Leute des Buches, übertreibt nicht in eurer Religion, und sagt über Gott nur die Wahrheit. Christus Jesus, der Sohn Marias, ist doch nur der Gesandte Gottes und sein Wort, das Er zu Maria hinüberbrachte, und ein Geist von Ihm…“ (Koran 4,171). Dass Jesus nur der Gesandte Gottes war und eben nicht sein Sohn, behauptet der Koran wiederholt; dass er ein gewöhnlicher Mensch war und nicht Sohn Gottes, unterstreichen die koranischen Bezeichnungen „Wort“ (kalimatu Ilâh) und „Geist“ (ruh) Gottes für Jesus, wird doch in ihnen besonders die Geschöpflichkeit Jesu hervorgehoben: durch das Schöpfungswort Gottes und das Einhauchen seines Geistes wurde Jesus wie Adam ins Leben gerufen.
– Jesus ist nicht am Kreuz gestorben
Dass Jesus sterblich ist, kann aus dem Koran als gesichert angenommen werden. Aber über den Zeitpunkt seines Todes gehen die Meinungen weit auseinander.
Gegen die Juden, die beteuern: „Wir haben Christus Jesus Sohn Marias, den Gesandten Gottes, getötet“ (Koran 4,157), behauptet der Koran: „Sie haben ihn aber nicht getötet, und sie haben ihn nicht gekreuzigt, sondern es erschien ihnen eine ihm ähnliche Gestalt. Diejenigen, die über ihn uneins sind, sind im Zweifel über ihn. Sie haben kein Wissen über ihn, außer dass sie Vermutungen folgen. Und sie haben ihn nicht mit Gewissheit getötet, sondern Gott hat ihn zu sich erhoben. Gott ist mächtig und weise“ (Koran 4,157f.). Demnach gelang es den Juden nicht, Jesus zu kreuzigen. Gott hat ihn errettet, er allein verfügt über Leben und Tod. Ein schmachvoller Tod eines Gesandten wäre gegen die Ehre Gottes. – Die Leugnung des Kreuzestodes Christi wird somit als Beispiel für die Allmacht Gottes hingestellt, gleichsam als „Zeichen“ für die, die glauben. Wenn sich auch die kategorische Ablehnung der Kreuzigung Christi zunächst gegen die Juden richtete, so ist doch gerade die Bestreitung des Kreuzestodes Christi sowie die Zurückweisung des trinitarischen Gottesbegriffs bis heute von den Muslimen immer wieder als Argument gegen die Christen verwandt worden. Zudem stellt die Leugnung der Kreuzigung Jesu die christliche Soteriologie (Erlösungslehre) in Frage.
– „Es gibt keinen Gott außer Gott“
Unmissverständlich weist der Koran die Lehre von der Trinität zurück: „So glaubt an Gott und seine Gesandten. Und sagt nicht: Drei. Hört auf, das ist besser für euch. Gott ist doch ein einziger Gott. Preis sei Ihm, und erhaben ist Er darüber, daß Er ein Kind habe. Er hat, was in den Himmeln und was auf der Erde ist. Und Gott genügt als Sachwalter“ (Koran 4,171).
Allerdings gibt der Koran die christliche Trinitätsauffassung nicht authentisch und korrekt wieder. Er scheint den christlichen Dreifaltigkeitsglauben als Tritheismus missverstanden zu haben und sich eine Trias aus Gott (Vater), Maria (Mutter) und Jesus (Kind) vorzustellen: „Und als Gott sprach: ‘O Jesus, Sohn Marias, warst du es, der zu den Menschen sagte: ‘Nehmt euch neben Gott mich und meine Mutter zu Göttern?’…“ (Koran 5,116). Von diesem Missverständnis abgesehen, polemisiert der Koran gegen die Christen, die sich zur Dreifaltigkeit Gottes bekennen, und verbindet seine Zurückweisung der Trinitätslehre mit der Androhung der göttlichen Strafe: „Ungläubig sind diejenigen, die sagen: ‘Gott ist der Dritte von dreien’, wo es doch keinen Gott gibt außer einem einzigen Gott. Wenn sie mit dem, was sie sagen, nicht aufhören, so wird diejenigen von ihnen, die ungläubig sind, eine schmerzhafte Pein treffen“ (Koran 5,73). Mit der immer wiederholten Betonung der Einzigkeit Gottes geht der Koran zwar in erster Linie gegen den altarabischen Polytheismus vor, trifft aber ebenso auch den Kern des christlichen Gottesbegriffs.
•Gottes Transzendenz und Immanenz
Im Mittelpunkt der islamischen Gotteserfahrung steht der Glaube an den einen und einzigen Gott, der tagtäglich im ersten Teil des Glaubensbekenntnisses öffentlich bezeugt wird: „Ich bezeuge, daß es keine Gottheit außer Gott gibt …“ Der Islam misst der Einzigartigkeit Gottes ein solches Gewicht bei, dass er alles ablehnt und verwirft, was auch nur im Entferntesten eine Beeinträchtigung der alleinigen Gottheit Gottes bedeuten könnte.
Die absolute Weltüberlegenheit Gottes, seine nicht einholbare Transzendenz betont der Koran immer wieder: „Gott ist der Erhabene“ (Koran 2,255), „die Sehkraft erreicht Ihn nicht“ (Koran 6,103), ja „es gibt nichts, was Ihm gleich wäre“ (Koran 42,11). Diese unendliche Wesensverschiedenheit Gottes von weltlicher Wirklichkeit hat weitreichende Konsequenzen: über das strikte Bilderverbot im Islam hinaus stellt sich die Frage, wie überhaupt ein Zugang zu Gott möglich sein kann. Wenn Gott in seinem Wesen derart unzugänglich ist – der Koran sagt: Auch wenn Gott sich zu erkennen gibt, bleibt er verborgen (Vgl. Koran 57,3) -, wenn er sich total menschlicher Erkenntnis entzieht – wie kann Gott dann vom Menschen, in welcher Weise auch immer, erfahren werden?
Es sind vor allem zwei von Gott ermöglichte Wege, die zu ihm führen: Seine Offenbarung und seine Schöpfung. In ihnen hat sich Gott den Menschen zugewandt. Wie selbstverständlich kommt seine Zuwendung in den Eingangsworten der einzelnen Suren des Korans (mit Ausnahme der neunten Sure) zur Sprache: „Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen …“. Die Initiative liegt bei Gott. Er stellt sich als Schöpfer und Lehrer des Menschen vor, so in der zuerst geoffenbarten Sure 96,1-5: „Lies im Namen deines Herrn, der erschaffen hat, den Menschen erschaffen hat aus einem Embryo. Lies. Dein Herr ist der Edelmütigste, der dem Menschen durch das Schreibrohr gelehrt hat, was er nicht wußte …“. Diese von Gott initiierte Relation zum Menschen hat ihre letzt-gültige Verbindlichkeit im Koran gefunden. Als Willensausdruck Gottes findet der Mensch im Koran jene Rechtleitung, hudâ, die von Gott selbst kommt und die den rechten Weg des Menschen vor Gott garantiert. Wer sich den vorgegebenen Handlungsnormierungen unterwirft, kann sicher gehen, dass Gott, der den Menschen in die Existenz gerufen hat, ihn mit seiner Vorsehung ein Leben lang begleitet, auch dann nicht im Stich lässt, wenn es mit ihm, dem Menschen, zu Ende geht.
Ebenso deutet das Wunder der Schöpfung auf Gott hin. In ihr kommen seine Allmacht – „Wenn Er eine Sache beschlossen hat, sagt Er ihr nur: Sei!, dann ist sie“ (Koran 2,117) – und seine Güte zum Ausdruck. Auch in der Schöpfung zeigt sich Gottes Zuwendung zum Menschen. Denn Gott hat Welt und Mensch nicht ein für allemal ins Dasein gerufen, um sie dann ihrem Schicksal zu überlassen. Im Gegenteil: Er begleitet seine Geschöpfe mit seiner Vorsehung. Er tut es unablässig, denn er setzt jederzeit sein schöpferisches Wirken fort. In allem kreatürlichen Sein ist Gott als schöpferisch begründende und erhaltende Ursache zu entdecken. Das hat zur Folge, dass Gottes Verhältnis zu Welt und Mensch nicht nur durch seine Transzendenz bestimmt ist, sondern ebenso durch seine Immanenz. Gott ist nicht nur der ferne, transzendente Gott, sondern ebenso auch der nahe, anwesende Gott; er ist dem Mensch „näher als die Halsschlagader“ (Koran 50,16).
b) „ … und Muhammad ist sein Gesandter“
Nach islamischer Tradition war Muhammad etwa vierzig Jahre alt, als er jene Erfahrungen machte, die so nachhaltig auf ihn einwirken und seine prophetische Berufung und Sendung einleiten sollten(7). Verschiedene Ursachen spielten dabei eine Rolle: Es waren nicht primär politische oder soziale Fragen, an denen sich Muhammads Erfahrung seiner eigenen Berufung und Sendung entzündete, sondern zutiefst religiöse Impulse. Ferner hat der Verfall des altarabischen Polytheismus, der offensichtlich zur Zeit Muhammads von keiner tieferen Bedeutung mehr war, auf ihn eingewirkt und ihn nach einigen Jahren der Zurückgezogenheit und zeitweisen Abgeschiedenheit veranlasst, mit seiner Botschaft an die Öffentlichkeit zu treten. Kernaussagen sind die Lehre vom alleinigen und allmächtigen Schöpfergott sowie ausgeprägte eschatologische Vorstellungen, in denen von der Unerbittlichkeit der göttlichen Abrechnung die Rede ist.
•Charisma und Macht
Überzeugt von der Wahrheit dieser Botschaft, sah Muhammad sich verpflichtet, sie seinen Landsleuten mitzuteilen, um sie so auf den Weg des Heils zu führen. Kollektiv empfindend, wusste er sich für seine Mitmenschen verantwortlich. Doch die Mehrheit lehnte ihn ab. Es kam zur Konfrontation. Muhammad und seine Getreuen verließen ihre Heimatstadt Mekka und wanderten nach Medina aus. Es war das Jahr 622. Durch die Übersiedlung von Mekka nach Medina seiner Sippe und seinem Stamm entwurzelt, versuchte Muhammad in Medina eine neue Gemeinschaft aufzubauen, indem er die mit ihm emigrierten Mekkaner und die neu hinzugewonnenen Gläubigen aus Medina zur „umma al-islâmiyya“, zur „islamischen Gemeinschaft“ zusammenschloss. Der religiöse Charismatiker von Mekka wurde zum politisch-mächtigen Anführer einer sich neu formierenden Interessen- und Glaubensgemeinschaft. Sie war gehalten, mit eben denselben Mitteln ihre Existenz zu sichern wie die benachbarten Stämme. Zwangsläufig ist so das neue muslimische Gemeinwesen von Medina zu einem politisch-kämpferischen Stadtstaat geworden. Während das Christentum in einen Staat hineingeboren wurde, hat der Islam einen Staat hervorgebracht. Damit ist der Islam von seiner Entwicklung her gleichzeitig und untrennbar Religion, gesellschaftliche Gemeinschaft sowie politisch-rechtliche Größe. Alle drei Aspekte sind untrennbar miteinander verbunden. Das „Haus des Islam“ (dâr al-Islâm) verkörpert eine religiöse und politisch-rechtliche Ganzheit. So verschieden die Muslime ihrer sozio-kulturellen Herkunft nach auch sein mögen – ob Araber, Türken, Inder, Pakistani, Indonesier, Afrikaner oder Iraner – sie alle gehören zum „dâr al-Islâm“. Nach der bereits im Jahre 623 von Muhammad erlassenen ersten Gemeindeordnung gehören alle Muslime zusammen und bilden aufgrund ihres Glaubens eine solidarische Gemeinschaft. Diese Richtlinien gelten in der islamischen Tradition als Modell für eine ideale Gesetzgebung in den islamischen Staaten und als vorbildliches Muster für das echte islamische Leben innerhalb der islamischen Gemeinschaft.
Von Anfang an war der Islam politisch orientiert. Muhammad war ja nicht nur der Verkünder einer religiösen Lehre, sondern auch einer theokratischen Staatsidee. So versteht sich der Islam von seinem Ursprung her gleichermaßen als „dīn“ – Religion – und „dawla“ – Staat -: „Al-Islām dīn wa dawla“, so wird gesagt, d.h. als Idealvorstellung ist der Islam religiöse und politische Gemeinschaft zugleich.(8) Das Staatsvolk ist das Gottesvolk, das religiöse Gesetz – sharī‘a – Staatsgesetz. „Ihr (Muslime)“, heißt es im Koran 3,110: „Ihr (Muslime) seid die beste Gemeinschaft, die je unter den Menschen hervorgebracht worden ist. Ihr gebietet das Rechte und verbietet das Verwerfliche und glaubt an Gott.“ In diesem Sinn gilt dann das als Ausspruch Muhammads überlieferte Motto: „Der Islam herrscht und wird nicht beherrscht.“(9) Daraus resultiert die Pflicht der muslimischen Gemeinschaft, sich als Glaubensbrüder und -schwestern für die Belange des Islams einzusetzen.
Der Einsatz „auf dem Weg Gottes“: djihad
„Rücket aus, ob leicht oder schwer, und setzt euch mit eurem Vermögen und mit eurer eigenen Person auf dem Weg Gottes ein“, so steht es im Koran.(10) Diese Pflicht, sich mit Leib und Leben für den Glauben gegen alle Widerstände selbst aus den eigenen Reihen einzusetzen(11), gilt für die muslimische Gemeinschaft als Gesamtheit, d. h. die ganze islamische umma auf Weltebene muss sich darum bemühen, dass sich dieser koranischen Vorschrift entsprechend das Gesetz Gottes durchsetzen kann.(12) Unter den Gegebenheiten zur Zeit Muhammads bedeutete das den bewaffneten Kampf. Dem entspricht bereits der koranische Befund ebenso wie die spätere Interpretation in den Rechtsbüchern. Nach muslimischer Auffassung ist die Welt – so die klassische Theorie – in zwei Lager geteilt:
1) in das Gebiet des Islams (dār al-Islām) und
2) in das Gebiet des Krieges (dār al-harb),
das bedeutet: die Welt besteht aus zwei Lagern:
das der Muslime und das der Nicht-Muslime.(13) Zur Verteidigung des islamischen Gebietes, das „dār al-Islām“ und zur Ausweitung seines Bereiches zwecks Einführung der islamischen Lebensordnung ist der djihād, der Einsatz „auf dem Wege Gottes“, als probates Mittel gefordert. Der djihād seinerseits kann die verschiedensten Formen annehmen: von militärischem Kampf, sprich Krieg, über propagandistische Solidaritätskundgebungen für die „mustad ‘afīn“, d. h. für „Arme und Entrechtete“, bis hin zur finanziellen und politisch-ideologischen Unterstützung von Freiheitsbewegungen in aller Welt und egal welcher Provenienz, ganz zu schweigen von den internationalen Missionsaktivitäten dank der arabischen Petro-Dollar als Investitionshilfe und Finanzierungsquelle für islamische Zentren.
Diese innerislamische Solidarität fundamentalistischer Kreise gründet in ihrer Auflehnung gegen Fremdherrschaft, soziale Ungerechtigkeit und kulturelle Entwurzelung, und zwar im Namen des Islams, von dem der Koran sagt: „Und wer hat eine schönere Religion als der, der sich völlig Gott hingibt und dabei rechtschaffen ist …?“(14) Getrieben vom Eifer, durch eine Weltrevolution die islamische, weil beste Ordnung, zum alleinigen Gesetz für die ganze Menschheit einzurichten, machen sie sich auf, mit ihren fundamentalistischen Verheißungen immer mehr Anhänger in der islamischen Welt für sich zu gewinnen. Der von ihnen anvisierte islamische Gottesstaat verspricht den Gläubigen nicht nur die Glückseligkeit im Jenseits, sondern schon jetzt das Heil im Diesseits.
•„Siegel der Propheten“ (Koran 33,40)
Muhammad – religiöser Charismatiker und politischer Anführer zugleich – verstand sich theologisch gesehen als „das Siegel der Propheten“ (Koran 33,40), d.h. er sah sich mit seiner Berufung und Sendung nicht nur in Übereinstimmung mit den früheren Propheten und Gesandten, sondern darüber hinaus als das abschließende Glied dieser langen Traditionskette. Als Abschluss und Höhepunkt der Offenbarungsgeschichte, eben als „das Siegel der Propheten“, ist er derjenige, der die gespaltene Menschheit wieder in Gott, ihrem Ursprung und Ziel, zusammenführt. Deswegen ist mit ihm, Muhammad, eine neue Zeit angebrochen, die Zeit der Versöhnung der einen Menschheitsfamilie im Leben des Islams, der fraglosen Unterwerfung unter Gottes Willen(15).
3. Der Koran: Gottes letztes Wort
•Inlibration: Buchwerdung von Gottes Wort
Zentrale Glaubensaussage des Islam ist im Gegensatz zum Christentum: Gottes Wort ist Buch geworden, nicht Gott ist Mensch geworden. Nicht die Inkarnation steht im Mittelpunkt, sondern die Inlibration, die Buchwerdung von Gottes Wort im Koran. Als zeitlich jüngste von Gott gesandte Schrift ist sie vom Inhalt her Gottes letztes Wort an die Menschheit, unnachahmlich und unüberbietbar (Koran 17,88). Weil Gottes Wort, trägt der Koran die untrüglichen Merkmale seiner Authentizität in sich selbst. Die geglaubte Verbalinspiration verleiht ihm uneingeschränkte Autorität in der muslimischen Welt, gilt er doch als die arabische Version jener Offenbarungsschrift, die bei Gott hinterlegt ist und „Mutter des Buches“ (umm al-kitâb) genannt wird (Koran 3,7 u.ö.)(16).
Weil aus muslimischer Sicht Gott sich und seinen Willen in endgültiger Weise im Koran geoffenbart hat, ist der Koran das vorzügliche Medium, durch das der Mensch Gott erkennen und erfahren kann. Schon verhältnismäßig früh als das ungeschaffene Wort Gottes – gleich ewig mit ihm – anerkannt, ist der Koran für jeden Muslim der Dreh- und Angelpunkt seines Selbstverständnisses und seiner Weltdeutung. Die gesamte Lebensordnung gewinnt von ihm her ihre lebensgestaltende und -prägende Kraft.
•Einführung der Scharia
Aufgrund der Tatsache, „daß in der islamischen Tradition Religion und Staat besonders eng verbunden waren, und das Hauptkennzeichen der Islamizität des Staates in der Durchführung des auf Offenbarung zurückgeführten religiösen Rechts, der Scharia, gesehen wurde“(17), streben die Verfechter des Islamismus die Wiederherstellung eines islamischen Staates an, verbunden mit der Wiedereinführung der Scharia. Damit würde ein Recht zur Grundlage der politischen Ordnung gemacht, das einzig und allein die Musline als Vollbürger anerkennt, während Nicht-Muslime dem Wohlwollen der Herrschenden ausgeliefert wären.
•Die „Entwestlichung des Wissens“
In seinem Beitrag „Islamischer Fundamentalismus gegen den Westen“(18) analysiert Bassam Tibi – selbst Muslim – jenes Fremdbild vom Westen, das sich in den Köpfen führender muslimischer Fundamentalisten festgesetzt hat. Er zeigt vier Gedankenkomplexe auf(19):
(1) Ausgangspunkt ist die Kritik am westlichen Kolonialismus als einem angeblich speziell gegen den Islam gerichteten Unternehmen; in Anlehnung an die Kreuzzüge sprechen sie in unseren Tagen von einem „neuen Kreuzzüglertum“ des Westens.
(2) Die theologische Weltsicht des Islams sehen sie durch westliche Wissenschaft gefährdet (Autonomie menschlicher Vernunft, Sittlichkeit usw.) und fordern eine “Entwestlichung des Wissens“ durch Rückgriff auf das unüberbietbare Wissen des Korans.
(3) Die Krise der europäischen Moderne wird als Sinnkrise einer säkularen Welt interpretiert.
(4) Diese Sinnkrise wird dem weltpolitischen Herrschaftsdenken des Westens ein Ende setzen und dem Islam zur Weltführung verhelfen.(20)
„Diese antiwestliche Ideologie“, so B.Tibi, „bietet eine Alternative zu der ‘westlichbeherrschten Welt‘, eine Alternative, in der der Islam die Führung innehat. Westliche Universalität, auch die der Menschenrechte, soll durch die islamische Universalität, in deren Doktrin es ein Konzept individueller Menschenrechte gar nicht gibt, ausgetauscht werden“(21). Damit sind wir bei einem der zentralen Punkte des islamischen Fundamentalismus angelangt. Es geht um die grundsätzliche Frage der Universalität der Menschenrechte. Sind sie unveräußerliche Rechte des Individuums oder dürfen sie “einem wie immer gearteten Kulturrelativismus geopfert werden“(22)? Oder anders gefragt: „Rechte der Menschheit oder Rechte der Muslime“(23)? Hier sind kritische Anfragen dringend geboten.
4. „Dir sind wir ergeben“
Das komplexe religiös-politische Phänomen „Islam“ bedarf einer differenzierten Sichtung und Darstellung. Schwarz-Weiß-Malerei hilft nicht weiter. Defizitäres Wissen ist aufzuarbeiten, um auch das Positive jener Weltreligion zu sehen, das uns die Medien allzu oft vorenthalten, jene Dimension, die wir Spiritualität nennen:
Und im Zentrum muslimischer Spiritualität steht das unerschütterliche Bekenntnis der Einzigkeit des transzendenten Gottes. Dabei kommt es nicht ausschließlich darauf an, verbaliter zu bestätigen, dass es nur einen Gott gibt, „keine andere Gottheit außer Gott“, wie das islamische Glaubensbekenntnis sagt, sondern vielmehr glaubend zum Ausdruck zu bringen, dass letztlich Gott allein „wirklich“ und „eigentlich“ existiert(24), während alles andere Existente neben ihm – wie Welt und Mensch – nicht im eigentlichen Sinn des Wortes existiert, sondern unablässig „zerfällt“, d.h. ins Nichts zurückfällt, um von Gott andauernd neu ins Leben gerufen zu werden: Alles vergeht, sagt Koran 55,26-27, „bleiben wird nur das Antlitz deines Herrn, das erhabene und ehrwürdige“. Alle Geschöpfe und an ihrer Spitze der Mensch haben ihren Sinn und Zweck nur insofern, als sie „geschaffen wurden, den Herrn anzubeten“(25). In diesem Sinne spiegelt die islamische Spiritualität die Geschichte unzähliger Menschen in ihrem Versuch wider, sich dem glaubend zu unterwerfen, von dem sie ausgegangen sind und zu dem sie zurückkehren: Gott. Er, der souveräne Schöpfer und Herr des Universums und doch zugleich dem Menschen näher als die eigene Halsschlagader, wie Koran 50,16 bekennt, ist transzendent und immanent zugleich: „Die Blicke erreichen Ihn nicht“, so Koran 6,103, doch „wohin ihr euch auch wenden möget, dort ist das Antlitz Gottes“ (Koran 2,115)(26). Von diesem Glauben getragen und im Wissen um die in der Schöpfung verankerte Relation Gottes zum Menschen(27), bekennen Muslime in aller Welt: „Dir sind wir ergeben“.
Quellenangaben:
1 A. Ta’heri, „Der Koran ist unser Programm“. Wie der politische Islam die moslemischen Nationen aufwühlt, in: Die
Zeit Nr. 36 vom 28.08.1987, 9.
2 Vgl. L. Hagemann, Zwischen Religion und Politik. Islamischer Fundamentalismus auf dem Vormarsch?, in: Ders./E.
Pulsfort, „Ihr alle aber seid Brüder“. Festschrift für A.Th. Khoury (Religionswissenschaftliche Studien, Bd. 14).
Würzburg-Altenberge ²1991, 244-260.
3 Der Koran ist zitiert nach A. Th. Khoury, Der Koran, Übersetzung. Gütersloh 2 1992.
4 Vgl. L. Hagemann, Propheten-Zeugen des Glaubens. Koranische und biblische Deutungen
(Religionswissenschaftliche Studien, Bd. 26). Würzburg-Altenberge 2 1993.
5 Vgl. ders., Christentum und Islam zwischen Konfrontation und Begegnung (Religionswissenschaftliche Studien, Bd.
4). Würzburg-Altenberge 3 1994, 27ff.; R. Paret, Mohammed und der Koran. Stuttgart 5 1985; A. Th. Khoury, Wer war
Muhammad? Lebensgeschichte und prophetischer Anspruch. Freiburg – Basel – Wien 1990.
6 Vgl. C. Colpe, Das Siegel der Propheten. Historische Beziehungen zwischen Judentum, Judenchristentum,
Heidentum und frühem Islam. Berlin 1989.
7 Siehe Anm. 5.
8 Vgl. L. Hagemann, Christentum und Islam a.a.O. 44-47 mit weiterführenden Literaturangaben; ders. Zur
Politisierung des Islam, in: Dialog in der Sackgasse? Christen und Muslime zwischen Annäherung und Abschottung
(Religionswissenschaftliche Studien, Bd. 46). Würzburg-Altenberge 1998 (Zusammen mit R. Albert). 205 S.
9 Vgl. Bukh~r§, Sah§h, Kairo 1897/H1315, K 23, 80; vgl. Koran 4,141.
10 Koran 9,41.
11 Vgl. ebd. 9,23.
12 Vgl. L. Hagemann, Christen und Islam a.a.O. 48f.
13 Vgl. A. Th. Khoury, Toleranz im Islam (Religionswissenschaftliche Studien, Bd. 8). Würzburg-Altenberge 1986,
103ff.
14 Koran 4,125.
15 Vgl. A. Th. Khoury, Muhammad, in: Ders., L. Hagemann, P. Heine, Islam-Lexikon, Bd. 2. Freiburg – Basel – Wien
2 1999, 543-566 (Lit.).
16 Vgl. A. Th. Khoury, Der Koran. Arabisch-Deutsch. Übersetzung und wissenschaftlicher Kommentar, Bd. 1.
Gütersloh 1990, 65ff.
17 R. Wielandt, Zeitgenössischer islamischer Fundamentalismus – Hintergründe und Perspektiven, in: K. Kienzler
(Hg.), Der neue Fundamentalismus. Rettung oder Gefahr für Gesellschaft und Religion? Düsseldorf 1990, 46-66.
18 In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament“ B 22 (1990) 40-46.
19 Ebd. 42.
20 Vgl. auch A. Th. Khoury/L. Hagemann, Christentum und Christen im Denken zeitgenössischer Muslime
(Religionswissenschaftliche Studien, Bd. 7). Würzburg-Altenberge 2 1994, 165ff.
21 Siehe oben Anm. 19.
22 Ebd. 46.
23 Ebd. 45.
24 Vgl. R. Gramlich, Mystische Dimensionen des islamischen Monotheismus, in: A. Falaturi/W. Strolz, Glauben an
den einen Gott. Freiburg 1975, 195ff; A. Schimmel, Mystische Dimensionen des Islam, Köln 1985 u.ö.
25 R. Caspar, Islamische Mystik I, in : Cibedo-Texte Nr. 12 (1981), 5; vgl. R. Gramlich, Mystische Dimensionen des
islamischen Monotheismus, a.a.O. 191ff.
26 Vgl. L. Hagemann, Die Welt ist sein Geschöpf. Zum Verhältnis von Transzendenz und Immanenz, in: A. Bsteh
(Hg.), Der Islam als Anfrage an christliche Theologie und Philosophie (Studien zur Religionstheologie, Bd. 1).
Mödling 1994, 91-96.
27 Vgl. J. Bouman, Gott und Mensch im Koran. Eine Strukturform religiöser Anthropologie anhand des Beispiels
Allah und Muhammad. Darmstadt 1977; L. Hagemann, „… mein Leben und mein Sterben gehören Gott“ (Koran
6,162). Strukturen islamischer Anthropologie, in: H. Hoffmann (Hg.), Werde Mensch. Wert und Würde des Menschen
in den Weltreligionen. Trier 1999, 121-142.
Literaturhinweise (Auswahl)
Bouman, J.: Gott und Mensch im Koran. Eine Strukturform religiöser Anthropologie anhand des Beispiels Allah und Muhammad. Darmstadt 1977.
Bsteh, A. (Hg.): Der Islam als Anfrage an christliche Theologie und Philosophie (Studien zur Religionstheologie, Bd. 1). Mödling 1994.
Colpe, C.: Das Siegel der Propheten. Historische Beziehungen zwischen Judentum, Judenchristentum, Heidentum und frühem Islam. Berlin 1989
Falaturi, A./Strolz, W.: Glauben an den einen Gott. Freiburg 1975.
Gramlich, R.: Islamische Mystik. Sufische Texte aus zehn Jahrhunderten. Stuttgart – Berlin – Köln 1992.
Hagemann, L./Pulsfort, E. (Hg.): „Ihr alle aber seid Brüder“. Festschrift für A. Th. Khoury (Religionswissenschaftliche Studien, Bd. 14). Würzburg – Altenberge 21991.
Hagemann, L.: Propheten – Zeugen des Glaubens. Koranische und biblische Deutungen (Religionswissenschaftliche Studien, Bd. 26). Würzburg-Altenberge ²1993.
Hagemann, L.: Christentum und Islam zwischen Konfrontation und Begegnung (Religionswissenschaftliche Studien, Bd. 4). Würzburg-Altenberge ³1994.
Hagemann, L./Khoury, A.Th. (Hg.): Blick in die Zukunft (Religionswissenschaftliche Studien, Bd. 43). Würzburg-Altenberge 1998.
Hagemann, L./Albert, R. (Hg.): Dialog in der Sackgasse? Christen und Muslime zwischen Annäherung und Abschottung (Religionswissenschaftliche Studien, Bd. 46). Würzburg-Altenberge 1998.
Hagemann, L.: Christentum contra Islam. Eine Geschichte gescheiterter Beziehungen. Darmstadt 1999.
Hoffmann, H. (Hg.): Werde Mensch. Wert und Würde des Menschen in den Weltreligionen. Trier 1999.
Khoury, A. Th.: Der Koran. Übersetzung und wissenschaftlicher Kommentar, Bd. 1ff. Gütersloh 1990ff.
Khoury, A. Th.: Wer war Muhammad? Lebensgeschichte und prophetischer Anspruch. Freiburg – Basel – Wien 1990.
Khoury, A. Th.: Der Koran. Übersetzung. Gütersloh 21992.
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